Interkulturelles Management und Unternehmenskultur in Thailand
Innerhalb des bekannten Lehrmaterials zum interkulturellen Management werden leider noch immer Ansätze verwendet, die versuchen kulturelle Unterschiede anhand vorgegebener Kategorien zu standardisieren. Es ist das ein Versuch, mittels Reduktion auf eine überschaubare Anzahl von Kategorien oder sogenannter Dimensionen, kulturelle Besonderheiten benennen zu können und vergleichbar zu machen.
Man hat also versucht so etwas wie eine "Nationale Kultur" zu beschreiben, und zwar durch Reduzierung auf die folgenden Charakteristika ("Kulturdimensionen"):
Ein anderes Beispiel aus der sogenannten "Kulturdimension der Machtdistanz": Hier ist gemeint, dass es Länder mit ausgeprägt hierarchischen Strukturen und hoher Machtdistanz zwischen den Eliten und der Durchschnittsbevölkerung gibt (z.B. in der Türkei, Pakistan oder China) und auf der anderen Seite Länder, in denen Machthierarchien kaum eine Bedeutung spielen sollen (z.B. in den USA, Kanada oder Dänemark). Die Annahme, dass es in den USA keine Machthierarchien geben soll ist jedoch naiv, ebenso wie die Annahme, dass es in der Türkei oder in China keine Möglichkeit gibt, einem Vorgesetzten zu widersprechen. Natürlich gibt es in dieser Hinsicht Unterschiede, aber eine so vereinfachte Sichtweise liefert keine wirklich brauchbaren Handlungsstrategien. Die unbrauchbarste dieser Kulturdimensionen ist jedoch die Unterscheidung in "maskuline" und "feminine" Gesellschaften. "Maskuline Kulturen" sollen sich demnach an Werten wie Stärke, Wettbewerb oder Gewinnstreben orientieren (z.B. Deutschland oder die USA), während "Feminine Kulturen" (benannt werden in diesem Zusammenhang Länder wie Dänemark oder Schweden) sich im wesentlichen an Werten wie Toleranz und Mitgefühl orientieren sollen, was im Geschäftsleben dann als eine Vorliebe für harmonische Kompromisse gedeutet wird. Alleine schon der gesunde Hausverstand müsste hier widersprechen, weil Männlichkeit keineswegs Toleranz, Mitgefühl und Kompromisse ausschliesst - und Weiblichkeit auch nicht Stärke und Wettbewerb ausschliesst. Ein Arbeiten mit solchen Kulturdimensionen führt zu Übergeneralisierungen: Man erhält abstrakte Durchschnittswerte, die über konkrete Individuen und konkretes alltagskulturelles Verhalten innerhalb einer Kultur und erst recht über interkulturelles Handeln nichts aussagen. Diese Reduktion von kulturellen Besonderheiten auf die genannten und einige weitere ähnliche (jedenfalls westliche) Kategorien oder "Dimensionen" zeugt in Wahrheit von der Ignoranz gegenüber den Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte einer ganzen Wissenschaft, nämlich der Sozial- und Kulturanthropologie. Wenn man die Reaktionen und Handlungsspielräume von Mitgliedern einer anderen Kultur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersehen will, dann muss man sich mit den Eigendefinitionen dieser Kultur auseinandersetzen, deren emischen Kategorien und Werten. Darüberhinaus gibt es in keiner Kultur ein statisches System von Regeln, das die Mitglieder einer Gesellschaft zwingen könnte sich in einer bestimmten Situation immer gleich zu verhalten. Jede Kultur bietet seinen Mitgliedern ein ganzes Spektrum von möglichen Verhaltensmustern an, aus denen das Individuum je nach Kontext und persönlicher Disposition wählen kann. Wenn Interkulturelle Kommunikation also erfolgreich sein soll, dann ist eine Auseinandersetzung mit den Werten, Kategorien und dem Spektrum an Reaktions- und Verhaltensmustern der jeweiligen Gesellschaft unumgänglich. Wer eine Arbeits-, Geschäfts- oder Verhandlungssituation mit einem Thailänder richtig einschätzen will, der muss lernen, Situationen mit den Augen der Thais zu beurteilen. Ein solcher Lernprozess sollte jedenfalls zu Verständnis und Toleranz führen, nicht aber zur Selbstaufgabe der eigenen Identität - denn dann würde man (gegenüber einem "Vis a vis" aus der anderen Kultur) seine eigene Glaubwürdigkeit verlieren. Aber abgesehen davon - Auslandsmitarbeiter werden ja auch häufig entsandt, um Veränderungen in einer Niederlassung zu initiieren: Das Berichtswesen soll dem Konzernstandard angepasst werden, neue Technologien sollen eingeführt oder die Produktivität und Qualität in der Niederlassung gesteigert werden. Bei solchen Entsendungszielen wäre es absurd vom Auslandsmitarbeiter zu erwarten, dass er sich vollständig den lokalen Gepflogenheiten anpasst. Er soll diese ja ändern. Unabdingbar dafür ist jedoch, dass der Auslandsmitarbeiter genau versteht, wie die lokalen Vorgehensweisen sind und weshalb sie so sind, wie sie sind.
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