Nachrichtenarchiv Thailand
Fakten über den Stimmenkauf und das Patron-Klient System in ThailandIn den letzten Jahren wurde vermehrt öffentlich Besorgnis über Stimmenkauf in Thailand geäußert. Der Sachverhalt: Die Wähler in den Provinzen am Land sind arm und ungebildet. Einige von diesen Menschen verkaufen für Bargeld an Ort und Stelle ihre Wahlstimme. Andere sind Opfer des Patron-Klient-Systems und befolgen die Anweisungen ihres Patrons bezüglich des Wahlverhaltens als Dank und Gegenleistung für fortgesetzte Unterstützung und Protektion unterschiedlichster Art. Deshalb gehen die Meinungen dann weiter: Stimmenkauf und das Patron-Klient-System bedeuten, dass Wahlen auf der Grundlage des Prinzips "Eine Person/Eine Stimme" in Thailand nicht funktioniert. Deshalb bestünde ein Bedarf für eine thailändische Alternative. Das könnte eine Art von Repräsentation durch Körperschaften sein, wie sie die Volksallianz für Demokratie (PAD) vorgeschlagen hat. Das würde eine Schwächung des gewählten Parlaments bedeuten und die Bürokratie mit mehr Macht versehen. Es wird erzählt, dass dieser Stimmenkauf seinen spektakulären Ursprung im Jahr 1981 in Roi Et gehabt hat, und von Personen aus dem Militär "entwickelt" wurde. In den darauf folgenden beiden Jahrzehnten fand diese "Methode" immer mehr Verbreitung. In Wahlzeiten rechnen die Banken mit massiven Ansteigen der Geldzirkulation und Journalisten beschreiben gerne komplexe Systeme unter Involvierung der Lotterien. Eine ausgezeichnete Studie aus Ayutthaya aus der Mitte der 1990er Jahre zeigt, dass Mönche, Gangster und lokale Funktionäre tief in diese Machenschaften verstrickt sind. Stimmenkauf ist Teil der politischen Kultur, darüber gibt es kaum Zweifel. Stimmenkauf ist aber keine einfache Angelegenheit. Die Praxis ist seit einem Viertel-Jahrhundert etabliert. Die Anzahl an Wahlen hat sich vervielfacht - für das Parlament, den Senat, Gemeindeverwaltungen, den Subdistrikts-Rat und so weiter. Die Thais gehören nun zu den erfahrensten Wählern der Welt. Es gab einen ausgeprägten Lernprozess darüber, wie man seine Wahlstimme einsetzen kann. In der Frühgeschichte des thailändischen Stimmenkaufs haben die Kandidaten einfach den Händen der Wähler eine rote Banknote anvertraut und damit eine Verpflichtung geschaffen. Hatte der Wähler einmal die Großzügigkeit eines Kandidaten akzeptiert, dann wären es schlechte Manieren gewesen, die Großzügigkeit bei der Stimmabgabe nicht zurück zu zahlen. Aber diese Art der naiven Transaktion währte nicht lange. In der Mitte der 90er Jahre nahmen einige Wähler bereits von allen Kandidaten Geld an und verhielten sich dann bei der Stimmabgabe nach eigenem Gutdünken. Andere nahmen das Geld nur von dem Kandidaten an, den sie ohnehin zu wählen beabsichtigten, und vermieden so die Schaffung einer Verpflichtung. Aber die Kandidaten hatten noch immer Geld anzubieten. Es nicht zu tun hätte für sie bedeutet, dass man sie als "knausrig" gebranntmarkt hätte und deshalb als "nicht wert" gewählt zu werden. Das traf insbesondere für jene Kandidaten zu, die als vermögend bekannt waren. Stimmenkauf wurde dadurch etwas wie ein Bankguthaben für den Kandidaten, das auf die Wähler verteilt ist und nicht auf die Behörden. In der Mitte der 90er Jahre wurden die Wahlstimmen-Verhandlungen viel komplexer als diese anfänglich einfachen Einzeltransaktionen. Die Wähler hatten gelernt, dass die Kandidaten das Potential hatten, weit größere Vorteile zu bieten hatten als ein paar rote Scheine. Sie konnten Gelder für die Infrastruktur und Entwicklungsprojekte bringen, die weit mehr Bedeutung für die lokale Gemeinschaft hatten. Gemeinden verhandelten mit Kandidaten über Zusagen zu lokalen Projekten und verpflichteten sie mit der Drohung, bei den nächsten Wahlen die Stimmen zurückzuziehen, ihre Versprechen einzuhalten. Das Parlament schuf extra den "Abgeordneten-Fonds" um den Parlamentsabgeordneten das Einhalten ihrer Wahlversprechen zu ermöglichen. Ein Großteil der lokalen Infrastruktur wurde auf diese Weise errichtet. Aber, das System hat sich seit damals noch einmal geändert. Mit der Verfassung von 1997 begann ein gezielter Versuch diese Art der lokalen "Politik der vollen Hände" von der nationalen Politik zu trennen. Die Finanzierung von lokalen Projekten wurde im Wesentlichen vom Staatsbudget zu den Kommunen hin transferiert. Die Abgeordneten haben weniger Einfluss auf die Ausgaben des nationalen Budgets und den Abgeordneten-Funds gibt es nicht mehr. Die gewählten Provinzräte und Stadtverwaltungen haben jetzt viel größere Budgets. Die Folge war, dass viele Politiker dem Geld aus der nationalen Politik in die lokale Politik gefolgt sind. Gleichzeitig hat sich das Profil der Wählerschaft geändert. Der Wirtschaftsboom in den Jahren 1986-1996 hat die Einkommen in die Höhe getrieben und die Wirtschaftskrise von 1997 hat diese Entwicklung nur kurzfristig zurückgeworfen. Die Ausweitung der höheren Schulbildung in den 1980er Jahren begann die Wählerschaft zu verändern. Dann kam Thaksin und veränderte das Spiel der nationalen Politik. Er versprach einige attraktive Umverteilungs-Programme und begann sie umzusetzen. Er zentralisierte die Kontrolle über ein Fünftel des Budgets unter seiner eigenen Befugnis und bereiste das Land um es auszuteilen. Auf diese Weise wurde seine Partei und das Amt des Premierministers zu wichtigeren Gönnern/Patronen als die lokalen Abgeordneten. Obwohl mit der Verfassung von 2007 einige dieser Veränderungen rückgängig gemacht wurden, dominiert in der Erinnerung der Menschen noch immer dieses Phänomen. In den letzten paar Jahren wurden einige Studien über die Praxis bei Wahlen im Norden, Nordosten und im Süden erstellt. Die Entscheidung bei der Stimmabgabe ist jetzt sehr kompliziert und schließt die Partei, den Kandidaten und das Geld mit ein. Im Süden fühlen die Wähler eine starke emotionale Anziehungskraft hin zu den Demokraten. Im Norden und Nordosten haben die Programme Thaksins eine starke Anziehungskraft hin zu der People Power Party/Thai Rak Thai geschaffen. Aber die Kandidaten werden dennoch einer genauen Prüfung unterzogen: Ist es eine Person aus unserem lokalen Umfeld, jemand der uns nahe steht? Kann er die Dinge wirklich umsetzen und hat er schon Erfahrung bzw. eine Erfolgsgeschichte um es zu beweisen? Ist er halbwegs vertrauenswürdig? Hat er die richtigen Freunde? Und letztlich - beweist er seine Großzügigkeit mit einem Geschenk? Nur Kandidaten von denen man weiss, dass sie nur über mäßigen Wohlstand verfügen, sind von dieser Verpflichtung ausgenommen - sie können aber dennoch auf Grund ihrer sozialen Beiträge zum Gemeinwohl gewählt werden. Bei der letzten Wahl schien es, als ob nicht viel Geld verteilt worden ist. Nach drei Wahlen in drei Jahren waren die Börsen offensichtlich leer. Die Kandidaten fürchteten Nachteile bzw. nicht gewählt zu werden. Aber der Sachverhalt, der bei den Wahlen auf dem Spiel stand, war so starr, dass dabei ein paar hundert Baht wohl kaum von Bedeutung waren. Weshalb also die augenblickliche Panik über den Stimmenkauf? Die Wählerschaft am Land ist wohlhabender, besser gebildet und erfahrener bei Wahlen als je zuvor. In Wahrheit ist das Problem nicht, dass dass die Wähler am Land nicht wissen wie sie ihre Stimme nutzen sollen oder dass das Wahlergebnis durch Patron-Klient-System und Stimmenkauf verfälscht ist. Das Problem ist, dass sie ZU gut gelernt haben ihre Stimme zu nutzen. Über die vergangenen vier nationalen Wahlen haben die Wähler sehr beständig und sehr rational gewählt. Und das kann schon ein echtes Problem sein. In der Zeit, als viele Wähler am Land ihre Stimmen verkauften und dadurch ihre Bedeutung in der nationalen Politik gleich Null war, hat niemand den Stimmenkauf als echtes Problem wahrgenommen. Nun aber, da die Wähler geschickt und smart geworden sind, muss ihnen Einhalt geboten werden. Das Meckern über Stimmenkauf und Patron-Klient-Politik ist einfach ein Versuch die Demokratie und Wahlentscheidungen zu untergraben, weil die Demokratie zu funktionieren scheint.
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