Nachrichtenarchiv Thailand
Während die im Land festsitzenden Touristen, die Fluglinien und das Ausland wegen der Blockierung des Flughafens in Bangkok (zu Recht) wütend sind, spitzt sich die innenpolitische Lage in Thailand dramatisch zu. Eine derartige Situation mit einem solchen Gefahrenpotential hat es in der Geschichte des modernen Thailands noch nie gegeben. Das "gelbe" und das "rote" Lager bringen das Land näher an den Rand des Abgrunds, am vergangenen Wochenende flackerten bereits auf beiden Seiten der Konfliktparteien sporadische Gesetzlosigkeiten auf. Thailand könnte zu einem unsicheren und gefährlichen Land werden, die Akteure des politischen Endkampfs zeigen immer weniger Respekt vor dem Rechtsstaat und auch vor Menschenrechten. Nachdem der Suvarnabhumi und Don Muang Flughafen in die Hände der mit gelben T-Shirts gekleideten PAD-Demonstranten gefallen ist, besteht nun die Gefahr, dass der Verfassungsgerichtshof von mit roten T-Shirts gekleideten regierungsfreundlichen Protestierern umzingelt wird. Und niemand weiß, was passiert, wenn der Gerichtshof am Dienstag ein Urteil fällen sollte, mit dem die drei Regierungsparteien aufgelöst werden. Ebenso besorgniserregend sind kleinere Vorfälle im ganzen Land. Verkäufer, die eine Sendung des Fernsehsenders ASTV angesehen haben, wurden von "Rote T-Shirt" Leuten angepöbelt und eingeschüchtert. Demonstranten haben ein Auto mit Journalisten beschossen, gleichwohl dieser Vorfall als Missverständnis entschuldigt wurde (man hatte geglaubt, dass es sich um Angreifer handelt). Regierungsgegner im Süden des Landes haben damit gedroht, die Provinzverwaltungen in allen 14 Provinzen des Südens zu besetzen, falls ein gewaltsame Räumung des Suvarnabhumi-Flughafens durchgeführt würde. Der Premier Somchai hatte gestern nichts Wichtigeres zu tun, als zu einem Buddhistischen Heiligtum in Nakhon Phanom zu pilgern, während eine "Rote T-Shirt" Menschenmenge gedroht hat eine Bürgerwehr zu bilden um die "Gelbe T-Shirt" Demonstranten zu bestrafen. Nach seinem Tempelbesuch verbrachte der Premier eine Nacht in Udon Thani, wo eine regierungsfreundliche Demonstration (angeblich 10.000 Personen) stattfand. Er wird vermutlich heute in sein provisorisches Büro in Chiang Mai zurückkehren. In Chiang Mai fuhren mehrere Pick-Ups voller Pro-Regierungs-Aktivisten zu belebten Plätzen der Stadt, und haben versucht die Menschen aufzuhetzen, und warben dafür, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen und die Demonstranten mit den gelben T-Shirts und deren Unterstützer anzugreifen. In diesen Aufrufen wurden die Leute ermuntert, Geschäftsläden von Personen die der Volksallianz für Demokratie (PAD, die "Gelben") nahe stehen, zu identifizieren und zu "schließen". Freitag Nacht haben eine Gruppe von "Roten" einen Nudelverkäufer am Nong Hoy Markt gezwungen sein Geschäft zu schließen, nur weil er des Fernsehprogramm der Regierungsgegner (ASTV) am Bildschirm verfolgt hatte. Der Sprecher der Demokratischen Partei, Buranat Samutarak, warnte indessen in der Hauptstadt, dass die Chance auf eine Verhandlungslösung von Tag zu Tag geringer wird. Er sagte, dass das Land auf beispiellose Gewalt und Blutvergießen zusteuere. Er appellierte gleichzeitig an den Innenminister Kowit Watana, rasch mit der PAD Verhandlungen aufzunehmen - ehe es zu spät ist. Er kritisierte auch den ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra, weil dieser seine politischen Aktivitäten wieder aufgenommen - und damit die gegenwärtige Situation entzündet hat. Kwanchai sagte, dass jeder Wahlkreis im Nordosten 20.000 Personen mobilisieren würde um in Bangkok am Dienstag zu demonstrieren, um sich der vermuteten Auflösung der Regierungspartei entgegenzustellen. Er appellierte auch an die Regierung zu genehmigen, dass die "Roten T-Shirt" Massen die "Gelben Demonstranten" zu zerstreuen, falls die Polizei bei dieser Aufgabe versagen sollte. Zwei Angeordnete aus Lop Buri, Suchart Lainamngern und Amnuay Klangpha prognostizierten, dass mehr als 100.000 "Rothemden" am Dienstag sich den PAD-Demonstranten entgegenstellen werden. Die PAD hat mittlerweile ihre Anhänger in den 14 südlichen Provinzen mobilisiert, um die Regierungsgegner an den drei Demonstrationsplätzen (Regierungssitz, Don Mueang und Suvarnabhumi) zu verstärken. Der PAD-Ortsverband-Führer von Nakhon Si Thammarat, Osoth Suwansawaet sagte, dass jeder lokale Ortsverband 200-300 Demonstranten pro Tag zu den drei Protestorten in Bangkok entsenden werde. Osoth sagte auch, dass seine Demonstranten auch auf einen Kampf mit den "Rothemden" vorbereitet seien, wenn diese über sie herfallen sollten. Er drohte auch, dass jede Provinzregierung und die Verbindungsstrassen im Süden besetzt und blockiert werden würde, wenn die Polizei gewaltsam gegen die Demonstranten auf den Flughäfen vorgehen sollte. Die Gouverneure von Nakhon Si Thammarat (Panu Uthairat) und Songkhla (Sonthi Techanan) beteuerten indessen, dass sie alle erforderlichen Vorkehrungen gegen Besetzungen oder Blockaden der Provinzverwaltungen ergriffen hätten. Der Regierungssprecher Natthawut Saikua sagte, dass es durch neueste Videoaufnahmen bewiesen sei, dass die PAD-Demonstranten bewaffnet seien und versucht hätten, unbewaffnete Polizisten anzugreifen. Er betonte auch, dass die Regierung nach wie vor voll funktiosfähig sei, obwohl die Situation täglich neu bewertet werden müsse. Er erwarte, dass die Kabinettssitzung am Dienstag stattfinden wird, der Ort der Sitzung ist aber noch nicht festgelegt. Bei der von der Regierung gesponserten religiöse Zeremonie am Dienstag in Bangkok ("meritmaking ceremony") ist es noch unsicher, ob der Premier Somchai Chiang Mai verlassen wird um diesem Ereignis vorzusitzen. Ebenso unsicher sei es, ob der Premier bei den Zeremonien anlässlich des Geburtstages des Königs anwesend sein kann - so der Regierungssprecher. Er bekräftigte auch noch einmal, dass die Regierung nicht zurücktreten oder das Parlament auflösen werde, weil des einem Sieg der PAD gleichkommen würde.
Dennoch ist es noch nicht zu spät für die Streitparteien die Situation zu de-eskalieren, wenn sie das Wohlergehen des Landes an erste Stelle setzen würden. Thailand hat einen kritischen Punkt in seiner modernen Geschichte erreicht. Und wenn die Streitparteien nicht augenblicklich einen Schritt zurück machen, dann wird das ganze Land sich auf einer blutigen Straße wieder finden, mit Wunden die erst in Generationen heilen werden. Thailand bewegt sich zur Zeit auf dünnem Eis, das jederzeit brechen kann. Es befindet sich in einer Sackgasse, in der keine Seite den ersten Schritt machen will, weil sie befürchten, dass ein solcher ihre eigene Existenz gefährden würde. Aber das Gleichgewicht wird schnell kippen, weil sich die "Rothemden" auf die Entscheidungsschlacht mit den "Gelben" vorbereiten. Die aber bleiben auch nicht untätig. An der Basis sind bereits kleinere gewaltsame Vorfälle passiert, sowohl in Bangkok als auch im Chiang Mai, dem provisorischem Sitz der Regierung. Unschuldige Menschen werden in einen Konflikt hineingezogen der nur blutig enden kann und das ganze Land ruinieren wird. Auf der politischen Ebene hat der Premier Somchai Wongsawat noch eins drauf gelegt und den Notstand erklärt und gelobt, den Flughafen aus der Gewalt der Demonstranten zu befreien. Dieses Ziel ist aber durch die bisherige Unwilligkeit von Polizei und Militär Gewalt anzuwenden, praktisch nicht zu erreichen. Das ist nicht das erste Mal, dass sich der Armeechef und der Premier in den Haaren liegen. Beim letzten mals, als der Premier den Notstand ausgerufen hatte, stellte ihm der General Anupong Paochinda unbewaffnete Soldaten zur Verfügung. Mehr noch, seit einigen Tagen wurde der Polizeichef des Landes, General Patcharawat Wongsuwan vom Premier seines Postens enthoben, weil er als zu verbunden mit dem Militär angesehen wurde. Diese Versetzung wurde zwar nicht kommentiert, allgemein wurde sie jedoch als eine Warnung für Anupong verstanden. Wenn das der Grund war, dann ist die Frage ob und welchen Effekt das auf das Militär haben könnte. Abgesehen von den Ereignissen rund um den Flughafen, ist die Spannung groß, ob der angeschlagene Premier auch Anupong seines Postens entheben wird, der ihn ja bereits zwei mal zum Rücktritt bzw. zur Auflösung des Parlaments aufgefordert hat. In einer normalen Situation hätte wohl ein leistungsfähige Premier jeden General im Militär entlassen, der solche Forderungen stellt. Aber wir befinden uns in keiner normalen Situation, und dieser gewählte Premierminister ist nicht Herr seiner Entscheidungen, sondern ein Stellvertreter eines verurteilten, habgierigen Industriemagnaten. Der vertriebene Thaksin Shinawatra spricht zwar große Worte über die Demokratie, aber man fragt sich unweigerlich, ob dieses Gerede nur dem Schutz seiner Geldkoffer dient. Die Drohungen der "Rothemden" haben vielen Menschen bereits kalte Schauer über den Rücken gejagt. Die Konsequenz könnte nicht nur blutig sein, sondern auch eine psychologische Spaltung im Land sein - eine Spaltung der Landesteile, eine Spaltung zwischen den Norden und Nordosten von Südthailand. Somchai hat Chiang Mai im Norden bereits de facto zu seiner Hauptstadt gemacht. Die Hauptmasse der Fußsoldaten mit den roten T-Shirts kommt aus dem Norden und Nordosten, während die moralische Unterstützung der Bewohner Südthailands für die Regierungsfeindlichen Demonstranten standhaft geblieben ist. Wenn auch die Dinge nicht das Ausmaß eines Libanons der 1980er Jahre haben mögen, die psychologischen Risse und Wunden sind unvorstellbar. Gleichgültig welche der Streitparteien siegreich sein wird, es wird eine Katastrophe für das Land als Ganzes sein, egal aus welchem Blickwinkel man es auch betrachten mag. Heilung dieser Wunden würde Generationen dauern. Aber - noch ist es nicht zu spät für die Streitparteien die Situation zu entspannen. Sie müssten nur ihre eigenen politischen Interessen hinter das Gemeinwohl des Landes stellen und einige taktische Schritte zurückrudern. Das ware nicht nur um des Blutes der "Roten" und "Gelben" Willen die einzig richtige Entscheidung, sondern auch um der unzähligen Unschuldigen Menschen willen, die ebenso verdammt sein würden. Qülle: The Nation
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