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2. Dezember 2008

Verfassungsgericht stürzt die Regierung

Die Regierungsparteien PPP, Chart Thai und Matchima Thipataya wurden aufgelöst

Demonstranten beenden Blockade des Flughafens Bangkok

Das thailändische Verfassungsgericht hat in die Politik des zerrissenen Landes eingegriffen. Drei Regierungsparteien müssen wegen Wahlbetrug aufgelöst werden. Premierminister Somchai verliert sein Amt. Nun warten viele auf ein klärendes Wort des Königs. Es wird erwartet, dass er sich am Donnerstag an die Nation wendet.

Der politische Machtkampf in Thailand hat am Dienstag eine dramatische, aber nicht ganz unerwartete Wende genommen. Das Verfassungsgericht hat drei der sechs Parteien, die derzeit die Regierung bilden, wegen Wahlbetrugs verboten und den bisherigen Regierungschef, Premierminister Somchai, seines Amtes enthoben. Somchai, der Schwager des 2006 gestürzten Thaksins, bleibt darüberhinaus für fünf Jahre aus der Politik verbannt.

Die Strafen beziehen sich auf den Artikel 237 der Verfassung, der saubere Wahlen und einwandfreies Benehmen der Regierung vorschreibt. Gegen erstes, so das Gericht, haben hohe Vertreter der drei Parteien, die nun aufgelöst werden, beim letzten Wahlgang verstoßen. Die Urteile wurden - bis auf einen Vorwurf, der sich auf die kleinste der drei Parteien bezieht - ohne Gegenstimme gefasst.

Vor dem Verfassungsgericht, wo sich bereits gestern Abend Hunderte von Regierungsanhängern eingefunden hatten, spielten sich nach dem Urteil tumultartige Szenen ab. Die in Rot gekleideten Demonstranten umzingelten den Komplex, blockierten die Ausgänge und versuchten so die neun Richter am Verlassen des Gebäudes zu hindern. Es kam zu Handgemengen mit der Polizei, die die Masse die mit Lautsprechern aufforderte, die Wege freizugeben. Andernfalls käme es zu Festnahmen. In der Folge wichen die Demonstranten zurück.

Vorwurf des juristischen Putsches
Unter den "Roten" (Regierungsunterstützern) ist die Wut groß. Sie sehen hinter dem Urteil einen juristischen Putsch gegen die Regierung. Bereits zum zweiten Mal, denn bereits im September war Somchais Vorgänger, der ebenfalls der Volksmachtpartei PPP zugehörige ehemalige Premierminister Samak, wegen einer juristischen Lappalie des Amtes enthoben worden. Er hatte, so argumentierten damals die Richter, verfassungswidriges Einkommen aus einer Fernsehshow bezogen.

Jubel bei Flughafen-Besetzern
Die "Gelben" (PAD, Volksallianz für Demokratie), die seit Monaten gegen die gewählte Regierung protestieren und nach wie vor die beiden Flughäfen blockieren, brachen an ihren Versammlungsplätzen dagegen in stürmischen Beifall aus. Ihre Forderung nach einem Rücktritt Somchai ist jetzt - indirekt - erfüllt worden. Auch die Armeeführung hat in den vergangenen Tagen die Regierung mit der Forderung nach Auflösung des Parlaments zum Rücktritt gedrängt.

Warten auf Stimme des Königs
Die Situation bleibt verworren. Zwar wird der bisherige Stellvertreter des Premies, Chaovarat Chanweeraku, die Amtsgeschäfte des Kabinetts provisorisch weiterführen. Aber ob nun auch das Parlament aufgelöst wird, was Neuwahlen nach sich ziehen würde, bleibt offen. Bereits haben Parteivertreter der sechs (alten) Koalitionspartner, von denen drei wegen Wahlbetrug aufgelöst werden müssen, angekündigt, wieder eine neue, gemeinsame Regierung bilden zu wollen.

In dieser Situation kommt einer auf Donnerstag angesetzten Rede Monarchen vielleicht eine entscheidende und klärende Bedeutung zu. Die Stimme des Königs, der am Freitag seinen 81. Geburtstag feiern wird, wurde bisher vermisst. Das Königreich des stark gealterten Monarchen präsentiert sich derzeit jedenfalls in einem so desolaten Zustand, dass man um seine Zukunft bangt, und dass hier nach über 60 Jahren Regentschaft das Erbe und Lebenswerk des Königs auf dem Spiel steht.

Die Monarchie in der Krise
Wer Thailand regiert, oder vielmehr regieren soll, ist unklarer denn je. Die von einer Mehrheit des Volkes gewählten Regierungen aus dem politischen Nachlass des weggeputschten Thaksin wurden von der alten Bangkoker Elite und dem Mittelstand nicht akzeptiert. Da kaum daran gezweifelt wird, dass bei Neuwahlen wiederum die Thaksin-Anhänger (im Kleid einer neuen Partei) triumphieren würden, ist für diese Schicht der demokratische Weg nicht mehr begehbar. Sie lehnt allgemeine Neuwahlen ab und strebt ein Parlament an, das nur noch zu einem kleinen Teil vom Volk direkt bestimmt wird. Begründet wird dies damit, dass die Mehrheit des Volkes in den ärmeren nördlichen Regionen nicht genügend reif und gebildet sei, um richtig zu wählen. Es lasse sich weiterhin vom Populisten Thaksin, seinem Geld und dessen Marionetten verführen.

Hinter dieser Argumentation verbirgt sich die Angst des Bangkoker Establishments vor dem Verlust seines Einflusses. Es sind Militärs, Monarchisten, Beamte, Intellektuelle und Angehörige des Mittelstandes, die diese einflussreiche Clique bilden, die die thailändische Politik seit Jahrzehnten bestimmt. Sie versorgen die gelbe Protestbewegung mit den beträchtlichen finanziellen Mitteln für den Straßenprotest. Diesen Leuten geht es (im Gegensatz zu den kleinen gelben Demonstranten) weder um die Demokratie, noch um den Kampf gegen das Übel der Thaksin-Korruption, wie immer wieder behauptet wird. Sondern es geht ihnen um ihre politischen Pfründen, die sich manchmal auch aus ihrer Nähe zum Königshaus ergeben.

Doch die Zukunft der Monarchie in Thailand ist ungewiss. König Bhumibol ist alt und gebrechlich, und sein Sohn scheint angesichts eines unsteten Lebenswandels und fragwürdiger Geschäftsbeziehungen als Nachfolger wenig geeignet. Wenn in Thailand das Königshaus ins Wanken gerät, wankt das ganze Land und seine Politik mit. Das erlebt Thailand in diesen Wochen ganz besonders dramatisch. Denn der eigentliche Grund dafür, dass die Bangkoker Elite jede Regierung, die in irgendeiner Form mit Thaksin in Verbindung steht, zurückweist, ist die Tatsache, dass dieser Ministerpräsident, der seine populistische Politik geschickt kalkulierend auf die Mehrheit der armen Bevölkerung im Lande ausgerichtet hatte, eine Popularität erlangt hat, die ihn zu einem Rivalen für den König macht.

Es ist ein Kampf um Einfluss und Macht, der in Thailand tobt. Auf der Strecke bleiben dabei die Demokratie, die Menschenrechte und die Wirtschaft des Landes. Ob das Militär oder die Richter putschen und gewählte Regierungen vertreiben, bedeutet kaum einen Unterschied. Die von der Mehrheit des Volkes gewählten Regierungen können sich gegen die starke gelbe Minderheit nicht durchsetzen. Die Bangkoker Elite glaubt, auf demokratischem Weg ihre Felle nicht retten zu können. Das Militär zögert, auf welche Seite es sich schlagen soll. Im Hintergrund der greise König, unangreifbar für alle, aber trotzdem geschwächt infolge der ungewissen Nachfolgefrage. Und mitten drin Thaksin, der exilierte asiatische Berlusconi, der zwar autokratisch und korrupt ist, aber politisch erfolgreich auch aus der Ferne. Dass Thailand politisch schnell wieder Tritt fasst ist eher unwahrscheinlich.

Qülle: NZZ / The Nation




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