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Die Zhuang
Hinweis: Auf einigen der im Menü auf der linken Seite angeführten Websites ist die linguistische Einordnung der Zhuang falsch. Die Zhuang sprechen definitiv eine Tai-Sprache.
Die Kultur der Tai-sprechenden Zhuang, der größten ethnischen Minderheit Chinas, ist teilweise mit der der Han-Chinesen verschmolzen. Relativ früh gingen die Zhuang zum Naßreisanbau über. Die Kultur der Zhuang nahm einst im südlichen China eine zentrale Stellung ein. Die Zhuang wußten sich noch bis ins 16. Jahrhundert gegen die Han zu behaupten. Mit ihrer großen Bevölkerungszahl und hochentwickelten Kultur haben die Zhuang nicht unerheblich zur Ethnogenese der Han-Chinesen beigetragen, wurden aber ihrerseits von diesen je nach Untergruppe und Region in unterschiedlichem Ausmaß sinisiert. In vielen Gegenden der Autonomen Region Guangxi trifft man auf Lokaltempel, die dem Drachenkönig oder der Donnergottheit gewidmet sind; für beide traditionelle Zhuang-Gottheiten gibt es entsprechende han-chinesische Varianten. So entstanden synkretistische Volksreligionen, die sowohl von Zhuang wie von Han-Chinesen gefördert wurden. Nach han-chinesischem Vorbild wurden angesehenen Zhuang-Männern posthum Ahnentempel erbaut. Es hatte fast den Anschein, als ob die traditionellen Bräuche und Sitten sowie die religiösen Vorstellungen der Zhuang sich Zug um Zug denjenigen der Han-Chinesen angleichen würden, um schließlich in diesen aufzugehen. Das bis heute existierende Froschfest und die damit verbundenen Glaubensvorstellungen beweisen, daß die Zhuang trotz gewaltiger Veränderungen sehr wohl eine sehr alte Kultur bewahren und lebendig halten konnten.
Bis auf den heutigen Tag steht im Zentrum der Volksreligion der Zhuang von Guangxi der Froschkult. In Tong-lan, Fong-san, Pa-ma, Tien-er und Nan-tan im Einzugsbereich des Roten Flusses (Hongshui) feiert man bis auf den heutigen Tag das "Frosch-Fest". Dieses Fest wird in der Zhuang-Sprache Ma Kwe, "Froschmutter", oder "Ya Kwe", "Froschgroßmutter" genannt (kwe = "kleiner Frosch"). Im Rahmen dieses Festes werden Rituale wie "Der Frosch ist geboren", "Opferung des Frosches" und "Verehrung des Frosches" durchgeführt. Mit dem Froschfest erweisen die Zhuang ihrer durch den Frosch repräsentierten Fruchtbarkeitsgottheit Respekt. Zu Ehren dieser höchsten Gottheit der Zhuang wird diese Zeremonie alle Jahre im ersten Monat des Mondjahres durchgeführt. Sie dauert drei bis fünf Tage, in manchen Fällen sogar fast einen Monat.
Am ersten Tag des neuen Mondjahres begeben sich 10 bis 20 Jugendliche, die aus mehreren Dörfern ausgesucht wurden, unter Anleitung eines Schamanen auf die Froschsuche. Der Frosch wird als ein glückbringendes Tier betrachtet, da er schädliche Insekten ißt und auf diese Weise die Feldfrüchte schützt. Wird zuerst ein weiblicher Frosch gefangen, so sieht man diese als Repräsentantin der Froschgottheit an und nennt sie "Tien Nieng", handelt es sich um einen männlichen Frosch, wird er als männlicher Repräsentant der Gottheit betrachtet und in diesem Fall "Wa Lang" oder "Wa-Phu" genannt. Die jungen Leute gehen auf die Felder und schlagen dabei die mitgebrachten Gongs bzw. Trommeln und blasen ein Büffelhorn. Nachdem der erste, der einen Frosch gefunden hat, dies kundtut, umringt ihn sofort die aufgeregte Menge. Daraufhin verkündet man den Geistern durch drei oder sieben explodierende Knallkörper, daß ein Frosch gefangen wurde. Die anderen Dorfleute beglückwünschen denjenigen, der als erster einen Frosch gefunden hat und dadurch nach dem Volksglauben das kommende Jahr hindurch viel Glück und Erfolg haben wird. Der glückliche Fänger gibt den Frosch in ein Bambuskistchen und stellt dieses daraufhin in eine aus Holz und farbigem Papier hergestellte Sänfte. Der die Zeremonie leitende Schamane fordert die Dorfbewohner auf, das Zhuang-Lied zu Ehren des Froschgotts zu singen. Dann tragen zwei junge Männer, die von Gongs schlagenden Dorfbewohnern begleitet werden, das Kästchen mit dem Frosch zu dem außerhalb des Dorfes liegenden Tempelpavillon und stellen es dort an den Stufen, vor dem Tor ab. Am Abend kehren die Dorfbewohner zum Pavillon zurück und versammeln sich dort, um neben dem Holzkistchen Nachtwache zu halten. Sie sind alle in fröhlicher Stimmung: Während die älteren Leute die Gongs und die Bronzetrommeln schlagen, führen die jüngeren zur Musik Frosch- und Bronzetrommeltänze aus. Diese Gruppe junger Männer und Frauen singen die ganze Nacht hindurch Lieder. Die Festlichkeiten dauern bis zu dem Tag, an dem man das Froschkistchen begräbt, d. h. mindestens jedoch drei bis fünf Tage. Während die einen das Bambuskistchen mit dem Frosch bewachen, fangen die Kinder des Dorfes Frösche und gehen mit ihrem Fang zur Musik und den Trommelschlägen singend und tanzend durch das Dorf. An jeder Haustür machen sie Halt, um das "Frosch-Lied" zu singen und dem Haushaltsvorstand viel Glück zu wünschen. Der Haushaltsvorstand erwidert dies mit Gaben bestehend aus Reis, zong-zi (gekochten, in Bambusblätter gewickelten riesigen Klebreiskuchen in Pyramidengestalt), Fleisch, gefärbten Eiern etc., die später dem Frosch geopfert werden. Tatsächlich wird jedoch nur ein kleiner Teil dieser Gaben dem Frosch geopfert, während der andere Teil unter den Kindern aufgeteilt und zu Hause gegessen wird. Die Zhuang glauben, daß vom Genuß dieser Opfergaben Kinder stark und intelligent werden, Jugendliche ihre Gesundheit erhalten, während Erwachsene sich damit ein hohes Alter sichern.
Am Morgen des für das Froschbegräbnis ausgewählten Tages schlachtet der Schamane Hühner und Enten und stellt Klebreis in fünf Farben sowie fünf verschieden gefärbte Eier für das am Nachmittag geplante Ritual her. Zu einem vom Schamanen als günstig ausgewählten Zeitpunkt beginnt man am Nachmittag damit, die Gongs und die Trommeln zu schlagen; Feuerwerkskörper werden zu Ehren des Frosches angezündet. Die Jugendlichen tragen Masken und tanzen, Frösche imitierend, zu den Klängen der Bronzetrommeln, Trommeln und suo-na-Büffelhörner. Besonders eindrucksvoll sind die mit einem grünen Froschkleid und einer Froschmaske versehenen Tänzer. In der Zwischenzeit haben die Dorfbewohner beim Pavillon, wo sich der Frosch befindet, Bambuspfähle aufgestellt und deren Spitzen mit Fähnchen in verschiedenen Farben versehen. Alle Dorfbewohner tragen dreieckige Fahnen aus gefärbtem Papier. All dies sowie die Speiseopfer dienen vor allem dazu, entsprechend dem unter den Tai-Völkern weitverbreiteten "khwan"-Konzept Lebenskraft und gute Einflüsse von der Froschgottheit zu empfangen und die eigenen Seelen zu stärken. Der Schamane führt die Dorfgemeinschaft, die das Bambuskistchen mit dem Frosch trägt und dabei das "Frosch-Lied" singt, zu einem Feld außerhalb des Dorfes. Dort hebt er ein Erdloch aus und exhumiert den im Vorjahr begrabenen Frosch. Er untersucht die Farbe, die dessen Körper angenommen hat, und zieht daraus Rückschlüsse auf die Aussichten der kommenden Ernte. Schwarze Froschknochen zeigen ein von Naturkatastrophen begleitetes Unglücksjahr an. In diesem Fall muß der Schamane ein Gebet an die Froschgottheit richten, damit diese das Unglück von der Gemeinschaft abwende. Ausgebleichte Knochen weisen auf eine sehr gute Baumwollernte hin. Gelbe Knochen versprechen gute Wachstumsbedingungen, d. h. es wird genau in der Regenzeit viel Regen fallen und damit eine reichliche Reisernte geben (vgl. Yu Shi-jie 1990).
Nach dem Orakel begräbt der Schamane das Kistchen mit dem Frosch. Währenddessen bitten die Dorfbewohner in ihren Gesängen um den Segen und Schutz der Froschgottheit. Auch nach der Beerdigung des Froschs singen die Dorfbewohner auf dem Heimweg das Froschlied.
Die Zhuang führen diese Zeremonie jedes Jahr durch, da sie glauben, daß der kleine Frosch, den sie begraben, die Tochter der Himmelsgottheit (in anderen Quellen auch die Söhne der Göttheit) ist, die Wind und Regen machen kann. Ihr Ritualname, "Froschmutter" ("Ya Kwe") bzw. "Froschgroßmutter", legt nahe, daß es sich hier um eine in Südchina schon seit langem verehrte weibliche Gottheit handelt, die sich die Zhuang höchstwahrscheinlich als eine den Donner und das Wetter erzeugende Gottheit vorstellten. Der erste Donner ist für alle agrarisch orientierten Gemeinschaften ein wichtiges Zeichen, da er den Beginn des Regens und der Feldarbeit ankündigt (Eberhard 1968:257). Alte chinesische Quellen berichten ebenfalls über Göttinnen der Zhuang. So heißt es von den nördlichen und den südlichen Zhuang: "Ihr Kultzentrum und ihre Hauptgottheit ist die Göttin Mei-shan ... Ihr anderes Kultzentrum ist der T'ao-yüan (... Pfirsichquell) mit der Göttin vom Pao-shan ... . Die südlichen Chuang verehren den Mo-i-ta-wang und andere Götter, die sämtlich aus Yünnan oder Kuichou stammen." (Eberhard 1942:182)
Wie die vielen Froschdarstellungen auf den oft mehr als 2000 Jahre alten, manchmal riesigen Bronzetrommeln belegen, scheint der Frosch-Kult ein sehr hohes Alter zu besitzen. In der Vergangenheit scheint der Froschkult in China eine weitere Verbreitung als heute gehabt zu haben (Eberhard 1968:202). Die unmittelbaren Vorfahren der Zhuang (wie auch der Bouyei und Dai) sind die südlichen Yue. Die Kultur dieser "Proto-Zhuang" war bereits vor der Invasion der Han in Lingnan (221 v. Chr.) gut ausgebildet. Von ihren Vorfahren erbten die Zhuang nicht nur den Reisanbau, sondern auch den "Bronze-(Trommel)-Tanz" sowie den "Frosch-Tanz" ("Ma Kwe"). Guangxi besitzt heute die größte Sammlung alter Dong-son-Bronzetrommeln (ca. 500!). In Guangxi wurde einst eine große Zahl solcher Bronzetrommeln produziert und in die weitere Umgebung ausgeführt. Die meisten dieser Trommeln haben an ihren Rändern 4 oder 6 gegossene Frösche (Barlow 2001).
Angesichts der begrenzten Möglichkeiten künstlicher Bewässerung waren in der Vergangenheit ausbleibender Regen und Dürre v. a. in der Zeit der Frühlings am meisten gefürchtet. Aufgrund genauer Naturbeobachtungen erkannten die Vorfahren der heutigen Zhuang, daß es eine enge Verbindung zwischen den Fröschen und der Donnergottheit geben muß, da kurz nach dem Quaken der Frösche auch der Donner grollt. All diese Vorstellungen finden sich im "Frosch-Lied" und den Mythen der Zhuang wieder. Daher die in den Mythen und Liedern präsentierte Vorstellung, daß die Frösche die Kinder der Donnergottheit seien. Die Menschen, die einst die Frösche getötet hatten, machten sich gegenüber der Gottheit schuldig und zogen sich deren Zorn zu. Eine schwere Dürre, während der "die Vögel ihre Nester in den Flüssen errichteten, die Mäuse am Seegrund lebten und der Drachenkönig um Trinkwasser betteln musste", war die Folge. Erst nachdem die Vorfahren der Zhuang unter der Leitung der Ahnen Bu-luo-tuo und Mu-liu-jia eine feierliche Begräbniszeremonie für die Frösche veranstaltet hatten, ließ die Donnergottheit wieder Regen fallen. Ab diesem Zeitpunkt wurden jedes Jahr Opferungen an die Frösche durchgeführt und mittels der Begräbnisriten für die Frösche deren Seelen zum Himmel gesandt.
Quelle: Dr. Helmut Lukas (personal communication)
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