Das alte Thailand


Karl Döhring: Siam im Jahre 1923 (Band 1: Land und Volk)

3. Bevölkerung

Entsprechend den drei Hauptteilen des Landes gibt es auch drei Hauptteile der Bevölkerung: in den Malayischen Staaten die Malayen, in Obersiam die Laosvölker oder Thai Jai, in Niedersiam die Südsiamesen oder Thai Noi, welche die beherrschende Klasse sind und aus denen sich hauptsächlich der Beamtenadel bildet.
          Als Urbevölkerung Siams nimmt man die Negritos an, deren Reste auf der Malayischen Halbinsel in unzugänglichen Gebirgsgegenden wohnen. In vorhistorischer Zeit wurde die hinterindische Halbinsel von Süden aus durch Proto-Malayen besiedelt, die in abgeschlossenen Tälern in Nieder- und Obersiam noch als kleine Völkerschaften weiter existieren. Dann kamen die Mon- und Khmer-Völker. Die Letzteren sind noch heute in Kambodja und in den äußersten Grenzen Südostsiams ansässig. Von 800 n. Chr. bis etwa 1200 n. Chr. blühte im Südosten des Landes das Reich der Khmer mit der Hauptstadt Angkor. Die Peguaner oder Mon bildeten früher ein großes Reich zwischen Birma und Siam. Dieses wurde aber bei den fortwährenden blutigen Kriegen zwischen den beiden großen Nachbarstaaten vollkommen zerstört. Während die Mon in Birma ganz unterdrückt wurden, hat sich in Siam eine größere Kolonie derselben südlich von Bangkok bei Paklat erhalten. Man zählt von ihnen ungefähr 50.000, die ihre eigene Sprache sprechen, eigene buddhistische Klöster besitzen und eigene Literatur pflegen, auch über eine eigene Druckerei verfügen.
          Dann zogen die Thaistämme, die in ständigem Kampf mit den Chinesen (von etwa 2000 v. Chr. ab) in die hinterindische Halbinsel abgedrängt wurden, vom Norden her in das Land. Zuerst kamen die Thai Jai oder die großen Thai, die Laoten, die heutigen Bewohner Obersiams, die dort verschiedene blühende Reiche gründeten, welche unter dem König Phra Ruong I. zu einer Einheit zusammengefasst wurden (etwa 1200 n. Chr.). Als letzte Welle der einwandernden Thaistämme kamen die Thai Noi oder die kleinen Thai kurz nach 1300 in die Halbinsel. Ihre Stammverwandten ließen sie ungehindert durchziehen. Sie gründeten das Reich von Ayuthia um 1350, das bald die Herrschaft über alle Thaistämme ausübte und dem auch Kambodja untertan wurde. Bis zum Jahre 1510 umfaßte dieses Reich von Ayuthia die ganze Malayische Halbinsel, nachher fielen einige Staaten derselben ab, 1867 auch Kambodja, das unter französisches Protektorat geriet. In den Birmanenkriegen ging die Provinz Tenasserim im Nordwesten der Malayischen Halbinsel verloren.
          Heute wird Siam etwa von neun Millionen Menschen bewohnt, von denen etwas weniger als der zehnte Teil auf die Hauptstadt Bangkok mit ihrer nächsten Umgebung entfällt. Die Laoten (Thai Jai) und die Südsiamesen (Thai Noi) zählen zusammen etwas über sieben Millionen, den Rest bilden Chinesen, Malayen, Peguaner und Kambodjaner sowie die kleinen Völkerschaften.
          Die Laoten, die Nachkommen der früheren Thai Jai, bewohnen Obersiam. Man unterscheidet die Lao Pung Kao und die Lao Pung Dam, d.h. die weißen und die schwarzen Laos. Erstere leben in der Gegend von Luang Phrabang und ihr Gebiet ist heutzutage zum größten Teil französischer Kolonialbesitz, während die Lao pung Dam in Chiengmai, Lampun, Lampang, Prae, Nang und Lakhon wohnen und ehemals eigene Fürstentümer bildeten, die dem König von Siam tributpflichtig waren. Während die Laoten die Täler und Ebenen Nordsiams bewohnten, sind die höher gelegenen Gebirge von anderen kleinen Stämmen besiedelt. Zu diesen gehören die Kho- und Kha-Völker, die Yoa, die Meo u.a.
          Die Karen und Karieng wohnen auf der Gebirgskette, die sich an der siamesisch-birmanischen Grenze hinzieht. Im Norden des Königreiches und auf den Bergen der südöstlichen Provinz Schantabun leben Schanstämme. Außerdem gibt es noch sehr viele kleine Völkerschaften, sodaß die Völkertafel Siams sehr viele Namen verschiedenster Stämme aufweist, die meist keine geschlossenen Gebiete bewohnen.
          In Hinterindien bestand früher die Sitte, dass der König nach Eroberung eines feindlichen Landes einen Teil der Bevölkerung kriegsgefangen wegführte und in verschiedenen Provinzen, meist auf seinen eigenen Ländereien, ansiedelte. So haben wir rings um die jetzige Hauptstadt Bangkok herum kleine Kolonien kriegsgefangener Stämme, die, abgesehen davon, dass sie dem König zu bestimmten Dienstleistungen und Abgaben verpflichtet sind, ein lebendiges Denkmal der siegreichen Feldzüge siamesischer Könige darstellen. PRINZ DILOCK sagt über sie: "Diese Leute blieben Hörige des Königs und bildeten einen eigenen Teil der Bevölkerung des Landes. Im Kriegsfalle wurden sie als Soldaten selbst gegen ihren ehemaligen König verwendet. Ihrem neuen Herrn dienten sie mit derselben Treue wie dem alten. Sie fühlten sich ganz als seine Untertanen und als wären sie im Land geboren".
          Im Mittelalter entvölkerten unaufhörliche Kriege die hinterindische Halbinsel. Eine der tapfersten Nationen waren die Siamesen. Infolgedessen machten sie unter den Nachbarvölkern sehr viele Kriegsgefangene. Damit hängt auf das engste zusammen, dass die Bevölkerung eine so gemischte ist. Hierzu kommt noch die friedliche Einwanderung, besonders der Chinesen. Da die Arbeitslöhne in Siam höher sind als in ihrem Heimatlande und lohnendere Verdienstmöglichkeiten bestehen, so wandern dauernd Chinesen der ärmeren Klassen ein, um in Siam ihr Glück zu machen. Ihre Anzahl hat schon 1,5 Millionen erreicht.
          Auch Hindus und Perser sind seit langem in Siam heimisch. Letztere bildeten früher einen Teil der Leibwache der siamesischen Könige.
          Die Malayen wohnen auf der nach ihnen benannten Halbinsel von der Südgrenze Siams bis etwa zum 7. Grad nördlicher Breite. In der Hauptstadt findet man viele von ihnen als Angehörige der dienenden Klasse.
          Die größeren Städte liegen alle an den Flussläufen Niedersiams. In Obersiam gibt es nur wenig große Städte. Die bedeutendste ist Chiengmai, das einst die Hauptstadt des mächtigsten Laosreiches war.

Fortsetzung




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Siam/Quellen


Siam im Jahre 1923