Karl Döhring: Siam im Jahre 1923 (Band 1: Land und Volk)
Die Siamesen nennen sich selbst stolz "Thai", d.h. die Freien. Sie sind von Natur aus gutmütig, haben aber großes Nationalbewusstsein und halten sich für das vornehmste Volk der Erde. Die jahrhundertealte Tradition des Buddhismus hat sie freigiebig und hilfsbereit für ihre Mitmenschen gemacht. Auf dem Lande, wo die schlechten Einflüsse der Großstadt und besonders der Hafenstadt Bangkok sich noch nicht geltend machen, sind sie harmlos, fröhlich und freundlich, ohne Hinterlist und Tücke. Zwar haben sie einigen Hang zum Müßiggang, auch die Spielleidenschaft ist bei ihnen sehr ausgeprägt und jede Art von Spiel ist ihnen willkommen. In der Zeit der Abendkühle um 5 Uhr nachmittags sieht man häufig fünf bis sechs junge Leute im Kreis zusammenstehen und eine Art von Rattanball sich mit den Füßen zuschleudern, wobei sie eine sehr große Geschicklichkeit entwickeln. Sie lieben Vergnügen, Theater, Musik- und Tanzvorführungen, sind aber andererseits dem Buddhismus sehr ergeben und in ihrer Religion von aufrichtiger Frömmigkeit. Sie besuchen die Tempel, bringen zahlreiche Opfer und geben den Priestern täglich ihren Lebensunterhalt an Reis und sonstigen Zutaten. Viele Siamesen, besonders die Bewohner der Hauptstadt, sehen sehr trotzig aus. Wenn man aber mit ihnen spricht, sind sie höflich
und besonders gegen Höherstehende sehr zuvorkommend.
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