Das alte Thailand


Karl Döhring: Siam im Jahre 1923 (Band 1: Land und Volk)

2. Wasserstrassen

Da die Siamesen fast ausschließlich Reisbauern sind und die besseren Reissorten nur in sumpfigen Flusstälern gedeihen, so drängt sich an den Wasserläufen der größte Teil der Bevölkerung zusammen. Die Berge sind alle bewaldet und fast gar nicht bewohnt. Menschliche Niederlassungen findet man dort nicht, auch ist es in Siam sehr ungesund, auf den Bergen zu wohnen, da dort hitzige Fieber herrschen. Die Häuser der Siamesen sind Pfahlbauten aus Holz oder Bambus, wenn irgend angängig an Kanälen gebaut, sodaß sie zum Teil im Wasser stehen und eine direkte Treppe in den Fluß haben. Erst in ganz neuerer Zeit hat man auch mit dem Straßenbau begonnen, doch gibt es in Südsiam keine Landstraßen, welche die einzelnen größeren Städte miteinander verbinden. Da sich der Hauptverkehr zu Wasser abspielt, so ist die Zahl der Boote ungeheuer groß. In Bangkok zählt man allein deren etwa 600.000. Jeder Siamese besitzt sein eigenes Boot, und der Verkehr auf den Kanälen der Hauptstadt ist seh rege. Bewunderungswürdig sind die Geschicklichkeit und die Ruhe, mit der die Siamesen selbst im größten Gedränge, ohne anzustoßen, sich vorwärtsbewegen. Schon Bastian (Reisen in Siam, S.62) schreibt darüber: "Soviel es angeht, wird alles zu Schiff abgemacht und es findet sich deshalb immer die halbe Einwohnerschaft der Stadt auf dem Menam oder den Seitenarmen beisammen". Auf den Kanälen von Bangkok sieht man die Postboten ihre Briefe zu Boot ausfahren, auch die gelbgewandeten Priester lassen sich von ihren Schülern des Morgens in Booten zur Almosenfahrt rudern. Ganz besonders lebhaft ist der Bootsverkehr in den Marktgegenden der Stadt. Auf jeder Seite des Flusses ist eine doppelte Reihe schwimmender Häuser am Ufer entlang verankert. Die meisten dieser Bootshäuser beherbergen Läden. Solche Bootsstraßen finden sich in fast allen Städten. Die Siamesen lieben das Wasser außerordentlich und man kann die Bevölkerung fast den ganzen Tag beim Baden an den Flussufern und an den Kanälen beobachten. Sie halten sehr auf Reinlichkeit und baden gewöhnlich zweimal täglich.
          Die großen Tempel sind alle vom Wasser aus zugänglich und haben meistens ihre Hauptfassade dem Fluss oder Kanal zugekehrt. Besondere Landungsstellen und Treppen ins Wasser sind für die Tempelbesucher stets angebracht. Die Siamesen führen ganze Pilgerfahrten zu Boot aus. BASTIAN bemerkt (Reisen in Siam, S. 57): "Wo der Menam in das Meer ausströmt, ist mitten im Wasser neben einer kleinen Insel auf künstlichem Fundament eine Pagode gebaut, die in bestimmten Jahreszeiten von zahlreichen Pilgern besucht und durch Umfahren mit Booten verehrt wird. Bei den gleichzeitigen Rennen zeigen die Siamesen eine englische Leidenschaft im Wetten. Gewöhnlich rudern die Siamesen stehend im Hinterteil des Bootes. In den königlichen Booten jedoch sitzen die Ruderer mit dem Gesicht in der Fahrtrichtung.

Fortsetzung




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Siam/Quellen


Siam im Jahre 1923