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Karl Döhring: Siam im Jahre 1923 (Band 1: Land und Volk)
Kapitel 1: Das Land
Das alte siamesische Staatswappen unter König Chulalongkorn zeigte drei Felder: ein dreiköpfiger, weißer Elefant auf rotem
Grund in der Mitte oben bedeutete Niedersiam, das von den eigentlichen Siamesen bewohnt wird; ein weißer Elefant auf gelbem Grunde links unten bedeutet Obersiam oder die Laotenstaaten, und ein malayischer Kris rechts unten deutete die Malayische Halbinsel an. Das jetzige Königreich Siam ist nicht nur politisch, sondern auch geographisch in diese drei Hauptteile gegliedert. Es liegt zwischen dem 6. und dem 20. Grad nördlicher Breite und zwischen dem 97. und dem 106. Grad östlicher Länge. Die größte Ausdehnung von Norden nach Süden beträgt ungefähr 1640 km, von Osten nach Westen etwa 770 km. Siam ist etwa so groß wie Deutschland vor dem Kriege. Im Norden ist es von Französisch-Laos und von Birma begrenzt, im Westen von Birma und dem Golf von Bengalen, einem Teil des Indischen Ozeans, im Süden von dem Malayischen Staatenbund, der unter englischer Oberhoheit steht. Der Golf von Siam bespült die Ostküste der Malayischen Halbinsel und die Südküste Siams. Im Osten bilden die französischen hinterindischen Kolonien die Grenze, zunächst im Süden Cambodja, dann Französisch-Laos. Die chinesische Provinz Yünnan wird von Siam durch einen schmalen Streifen Birmas und durch Französisch-Laos getrennt. So liegt Siam eingekeilt zwischen englischem und französischem Kolonialbesitz.
Die drei oben angeführten Teile bilden auch drei klimatisch scharf voneinander unterschiedene Gebiete. In Siam hat man nicht vier Jahreszeiten wie bei uns, sondern drei sogenannte Monsun-Jahreszeiten: die Regenzeit (Wasanta Radu) von Ende Mai bis Oktober, die kalte Zeit (Hemanta Radu) von November bis Februar, und die heiße Zeit (Khimhanta Radu) von Mitte Februar bis Ende Mai. In ganz Siam wird der Wechsel der Jahreszeiten durch das Wehen der Monsunwinde bedingt. Ende April beginnt der Südsüdwest-Monsun. Er weht über die südlich vorgelagerten Meere, sättigt sich mit Feuchtigkeit und bringt so Ober- und Niedersiam, sowie der westlichen Seite der Malayischen Halbinsel ausgiebigen Regen. Im Juni, Juli, August und September regnet es ziemlich regelmäßig fast jeden Tag einige Stunden, während sonst sonniges Wetter vorherrscht. Die Regenzeit hat hier nicht die Unannehmlichkeiten wie in sonstigen tropischen Gegenden. Im Oktober regnet es spärlicher. Anfang November hört der Südsüdwest-Monsun und mit ihm der Regen ganz auf. Der Wind schlägt um, es beginnt der Nordnordost-Monsun, der von den weiten Länderstrecken des asiatischen Kontinents herkommt und Trockenheit und Kälte mit sich bringt. Die Temperatur nimmt allmählich ab und erreicht Ende Dezember ihren niedrigsten Punkt. Während meines Aufenthaltes in der Hauptstadt Bangkok waren 16 Grad Celsius kurz vor Sonnenaufgang die niedrigste Temperatur, die von mir beobachtet wurde. Von der ersten Hälfte des Februar ab wird es wärmer, der Monsun lässt nach und Ende April erreicht die Hitze ihren Höhepunkt, etwa 40-42 Grad Celsius während der heißesten Tageszeit nachmittags zwischen 1 und 2 Uhr. An der Ostküste der Malayischen Halbinsel regnet es umgekehrt am meisten im November, Dezember und Januar, also zur Zeit des Nordnordost-Monsuns. Die heiße Zeit ist die ungesundeste und verursacht gefährliche Tropenkrankheiten, wie Cholera, Ruhr usw. Der Beginn des Südsüdwest-Monsuns mit seinem erquickenden Regen wird als große Wohltat empfunden.
Die Menam-Ebene ist von vielen Kanälen durchzogen, die mehr oder weniger durch das Süßwasser der Ströme, besonders des Menam, gespeist werden. Ende August beginnen der Menam und die anderen Flüsse über die Ufer zu treten und überschwemmen die ganze Ebene. Davon ist nur ein Streifen der Südküste von etwa 50 bis 60 km ausgenommen, an dessen Nordrand auch die Hauptstadt Bangkok liegt. Die Überschwemmung erreicht im Anfang der zweiten Hälfte des November ihre größte Höhe von durchschnittlich 1,5-2 m. Von da ab geht das Wasser langsam wieder zurück. Während der Überschwemmung ist das Flusswasser ganz undurchsichtig, von gelblich-grauer Lehmfarbe. Nur selten werden die Überschwemmungen so gefährlich, dass sie die ganze Ernte überfluten und verderben. Ihre Höhe hängt mit der Menge der Niederschläge zusammen. Diese beträgt durchschnittlich in der Menam-Ebene und in Obersiam 120-150 cm, während sie in den Südostprovinzen in der Gegend von Schantabun ein Maximum von 250 cm erreicht. Außer dem Menam gibt es noch verschiedene Flüsse, wie z.B. den Tachin und den Meklong. Der große Mekong bildet die Grenze zwischen Französisch-Laos und Siam. Auf der Halbinsel ist der Petchaburi-Fluß der größte. Mehrere kleine Flüsse münden in den Golf von Siam.
Durch die Verlangsamung infolge der Vermischung mit dem Seewasser und die hinzutretende Verbindung des Salzes mit dem Schlamm sinkt dieser in einer Entfernung von einigen Seemeilen bei der Mündung des Menam nieder. Dort ist dem Fluß eine Barre vorgelagert, die der Schiffahrt sehr hinderlich ist. Bei Flut ist das Wasser hier nur fünf Meter tief.
Wenn die Ströme während der heißen Zeit nur geringe Wassermengen mit sich führen, dringt von der See aus das Brackwasser in die Kanäle ein und macht sie ungesund. Während der Regenzeit haben die Siamesen das Regenwasser in großen Tonkrügen und allerhand Gefäßen aufgesammelt, um es während der regenlosen Jahreshälfte als Trinkwasser zu verwenden. Sind diese Vorräte vor der Zeit zu Ende, so müssen die Leute das schlechte Wasser der brackigen Kanäle trinken (Fußnote: Seit etwa 10 Jahren besitzt Bangkok Wasserleitung und Kanalisation).
In Obersiam, das hauptsächlich aus den Gebirgsgegenden der Laosstaaten besteht, ist das Klima ziemlich milde, zeigt aber größere Temperaturunterschiede zwischen heißer und kalter Jahreszeit.
Niedersiam hat ein maritimes Klima. Die Hitze der Tropen ist durch die Nähe des Meeres abgeschwächt, sodaß die durchschnittliche Temperatur in Bangkok zur Regenzeit etwa 28 Grad Celsius, in der heißen Zeit 30-32 Grad Celsius, in der kalten Zeit etwa 24 Grad Celsius beträgt.
Der nördlichste Teil der Malayischen Halbinsel hat ungefähr das gleiche Klima wie Niedersiam, der südliche dagegen das volltropische der Äquatorialländer.
Die Wärme des siamesischen Klimas ist auch für den Europäer sehr gut zu ertragen und wird durch die fast das ganze Jahr wehenden Monsunwinde sehr gemildert. Dazu kommt die bedeutend leichtere Tropenkleidung und die Tatsache, dass nach kurzem Aufenthalt in den Tropen das Blut der Europäer sich verdünnt. Die Siamesen haben an und für sich dünneres Blut. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind auch geringer wie in unseren Breiten. Die Temperatur beträgt während der Regenzeit in Niedersiam etwa 28 Grad C des Morgens, steigt gegen Mittag auf 30-32 Grad C, sinkt am Abend wieder auf 28 Grad C und erreicht in der Nacht einen Tiefstand von 24 Grad C. Das Klima ist sehr milde und für Lungenleidende sehr zuträglich.
Die Gebirge Hinterindiens, die meist in nordsüdlicher Richtung verlaufen und von fruchtbaren Tälern unterbrochen werden, sind mehr oder weniger Ausläufer des Himalaya. Sie teilen sich in zwei große Gruppen: die westliche bildet zunächst die Grenze zwischen Siam und Birma und verläuft dann weiter auf der südlichen Halbinsel bis zu deren äußerster Spitze in Singapur, während die östliche Gebirgskette das Menam- und das Mekongtal voneinander trennt. Zwischen diesen beiden großen Gebirgszügen liegt das Tal des Menam eingeschlossen, das an Fruchtbarkeit dem ägyptischen Niltal verglichen werden kann. Der Menam überflutet alljährlich ganz Niedersiam, düngt das Land mit seinem fruchtbaren Schlamm und macht es zu einer für die Landwirtschaft reichsten Gegend der Erde. Die Menamebene ist sehr flach und erhebt sich nur wenig über dem Meeresspiegel. Sie besteht ganz aus alluvialem, durch den Fluß angeschwemmten Boden, Lehm mit etwas Sand gemischt. In tieferen Schichten findet man noch den alten Meerboden aus Muschelkalk, Seemuscheln und Seesand.
Man nennt die westliche Gebirgskette, die von Yünnan ausgeht, die siamesische, die östliche die kambodjanische. Im Norden des Königreichs zweigen sich noch verschiedene kleinere Gebirge von diesen ab und durchziehen die Laosstaaten. Die siamesischen Berge sind bedeutend niedriger als die des Himalaya. Der höchste Berg im Norden des Landes ist der Doi Intanon mit etwas über 2500 m über dem Meeresspiegel.
Die weiten Ebenen der Flusstäler sind von Reisfeldern und Gartenkulturen bedeckt, während die Gebirge mit Wäldern bestanden sind. In den Laosländern und den Nordprovinzen sowie auf den Khoratbergen und einigen Teilen der Malayischen Halbinsel findet sich noch undurchdringlicher Urwald, der früher das ganze Land bedeckte; doch haben die Siamesen mit der fortschreitenden Entwicklung der Landwirtschaft diese üppig wachsenden Wälder abgeholzt oder niedergebrannt, um Boden für Ackerfelder zu gewinnen. In Nordsiam findet man auch viele Teakholz- und Sappanwälder.
Die Ebenen sind von zahlreichen Kanälen durchzogen, die in Südsiam die Stelle von Landstrassen einnehmen. Diese dienen nicht nur dem Verkehr, sondern vor allen Dingen auch der Bewässerung des Landes. Der Reis ist die Hauptkulturpflanze Siams und erfordert sumpfigen Boden. Die besseren Sorten gedeihen nur auf überschwemmten Feldern.
An den Ufern der Kanäle, besonders an der Küste, herrscht üppigste Tropenvegetation. Die überhängenden Bambusgebüsche und die zahlreichen hochragenden Palmen mit der charakteristischen Linie ihrer Silhouetten bieten überaus prächtige Landschaftsbilder, die durch einzelne Wohnhäuser belebt werden, die aus dem Grün der Ufervegetation hervorlugen.
Bangkok, die Hauptstadt des Landes, die heute mit allen Vorstädten nicht ganz 900.000 Einwohner zählt, hatte früher fast gar keine Strassen, sondern nur Kanäle, und man nannte sie deshalb "Venedig des Ostens". Die Südsiamesen sind alle gute Ruderer und mit dem Wasser sehr vertraut.
Der Verkehr vollzog sich in Südsiam bis zum Bau der Eisenbahn nur durch Boote und Marktschiffe. Der ruhige Lauf des Menam und seiner Nebenflüsse wird häufig von Stromschnellen unterbrochen, die man aber mit einheimischen Booten und Schiffen passieren kann. Im Norden wird der Verkehr auf Landwegen durch Ochsenkarren vermittelt.
Die Vorbedingungen für die Landwirtschaft sind in Siam äußerst günstig. Die Siamesen sind in ihrer großen Masse auch ein Bauernvolk und ernähren sich hauptsächlich vom Reisbau. Der Reichtum des Landes ist stetig im Wachsen, da bei guten Ernten ein großer Teil derselben für die Ausfuhr verwendet werden kann. Da das Volk in seinen Bedürfnissen nicht sehr anspruchsvoll ist, so übersteigt die Ausfuhr in normalen Zeiten die Einfuhr und der Wohlstand wächst von Jahr zu Jahr.
Fortsetzung
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