Reisen in Siam im Jahre 1863 - Adolf BastianAm nächsten Morgen machte ich dem Gouverneur meine Aufwartung, ein weißbärtiger Alter, der mich freundlich empfing, aber schlechte Nachrichten gab. Passende Regierungsboote seien augenblicklich nicht da, und es würde wohl längere Zeit darüber hingehen, bis sie angeschafft werden könnten. Da ich indes gegen jeden unnützen Aufenthalt protestierte, wurde zuletzt ausgemacht, dass mich das von Rahein mitgebrachte Boot bis zur nächsten Station weiterführen solle. Auch hatte ich wohlweislich einen Teil meines Gepäckes darin belassen, damit ich nicht etwa, wenn es zurückkehre, ehe das neue da sei, mich unversehens auf dem Trockenen sitzen fände. Wir lagerten während dieser Unterhaltung auf Teppichen mit hohen dreieckigen Kissen zur Rückenlage und hatten eine zahlreiche Versammlung als lautlose Zuhörer. Ich hatte verschiedentlich das Gespräch auf die Überreste des alten Kampeng pet und seine Befestigungen zu wenden gesucht, der Gouverneur aber brach beständig von den Fragen ab und bemerkte nur einmal kurz, dass sie auf mehrere Tage Entfernung in einen unzugänglichen Dschungel lägen. Wahrscheinlich trug die Angst über meine Lust, dort einen Besuch abzustatten, am Meisten dazu bei, dass die im Anfang der Verhandlung als höchst schwierig dargestellte Frage der Weiterreise sich nachher plötzlich so leicht löste. Für nachkommende Reisende sei aber hier die mir später gewordene Nachricht eingeschaltet, dass diese Ruinen ganz in der Nähe der jetzigen Stadt liegen sollen, und also leicht zugänglich, was immer alte freundliche Ming gyis darüber oder dagegen sagen mögen. Im alten Kampheng pet war der in goldene Wiege gelegte Uthong geboren, dem ein Sagenzyklus die Gründung Ayuthia's zuschreibt, während sie ein anderer mit dem am östlichen Arm des Menam herrschenden Phra Ruang verknüpft, der eben so gut wie der Aechter (utilegumadhr) Eyvindr oder Fjalla-Eyvindr wasserdichte Körbe zu flechten verstand (Maurer). Am Mittage des nächsten Tages begab ich mich wieder an Bord des Kahns, den der Gouverneur mit frischen Kokosnüssen, Zuckerröhren und anderen Erfrischungen hatte füllen lassen. Die sandigen Ufer waren mit Wald bedeckt, und konnten wir am Abend wegen der seichten Bänke nur auf weite Entfernung anlegen, so dass ich mich auf dem Rücken der Bootsleute an's Land tragen lassen musste. Noch vor der Dämmerung aufbrechend, fuhren wir zwischen dichtem Wald hin, bis wir um Mittag an das Dorf Bansu gelangten, wo unsere Leute sich mit einem Vorrat der Harzfackeln versahen, die dort in der Umgebung verfertigt und exportiert werden. Die Häuser standen zwischen den Bäumen des nur halbgelichteten Waldes, hie und da mit einer Bananen-Anpflanzung. Auf der Weiterfahrt zeigten sich einige offene Stellen zwischen dem Dschungel, doch bestand das Dorf der Nachtrast nur aus einigen ärmlichen Hütten. Auch hier fand sich die unter den Xong gebräuchliche Fackelmanufaktur. Der Dammer wird aus dem umgehauenen Baume durch darunter angezündetes Feuer zum Ausfließen gebracht und in einer Höhlung angesammelt, um entweder zum Verpichen der Boote zu dienen, oder mit Harz vermischt zur Anfertigung von Leuchtmaterial. Man schüttet verfaultes Holz darauf und lässt es in einer Grube bis zum Verdicken stehen, worauf die in Blätter aufgerollte Masse mit Rinden umgeben und durch Rattan festgebunden wird. Am folgenden Tage blickten mehrfach Häuser und Dörfer zwischen dem Walde hervor. In dem Dorf Tungan fand ich, in Büschen versteckt, einen Dämonentempel, der auf niedrigen Terrassen mit roten und weißen Tüchern umhangen war. Am Abend kamen wir in Müangklang an, der Station eines neuen Distrikts, wo der mir beigegebene Beamte seine Papiere abzugeben hatte, um das Boot durch ein anderes zu ersetzen. Ich legte ihm an's Herz, den Wechsel so rasch wie möglich zu betreiben, sah ihn aber bald mit langem Gesicht zurückkommen, berichtend, dass der Amtmann seit mehreren Wochen nach Bangkok abgereist sei, sein Stellvertreter sich aber auch auf seinem eine halbe Tagereise entfernten Landgut befinde, wo er die Feldarbeiten beaufsichtige. Nachdem noch in der Nacht Boten abgeschickt waren, um den letzteren herbeizurufen, legte ich mich in dem Kahne zum Schlafen nieder. Die Stadt oder das Dorf, wie ich am nächsten Morgen fand, bestand nur aus halbverfallenen Hütten, die zwischen Bäumen und Bananen-Anpflanzungen umherstanden. Auch der Klosterhof sah verwildert aus, voll rankenden Unkrauts. Derselbe war ohne Abt und enthielt auch keine Bücher, wie ich auf meine Nachfrage danach hörte. Dennoch hatte die Geistlichkeit großen Einfluss, denn ihr Verbot, nicht zu fischen, wurde so treulich gehalten, dass ich am Flusse Stellen sah, so mit Fischen gefüllt, dass man sie mit Händen hätte greifen können. Jagd war natürlich ebenso verpönt. Eine im Flusse liegende Sandbank war derart mit Wasservögeln, wilden Gänsen, Kranichen, Pelikanen, Störchen bedeckt, dass sie wie ein weißes Laken aussah; und als ein Bauer, der auf seinem Büffel den Fluss durchschwommen hatte, dort kreuzte, sprangen die Vögel eben nur so wenig auf die Seite, um ihm eine schmale Passage zu eröffnen, da sie nichts von Scheu oder Furcht wussten. Jenseits des Dorfbezirkes indes durften die Fischer ihr Handwerk treiben, und fand ich sie dort mit dreieckig gespitzten Speeren am Werk. Der Fluss breitete sich daselbst in ein weites Bett aus hinter schroff vorspringenden Felsen, die zu den Konnoh-Bergen gehören. Einen Teil des Tages brachte ich in der Zelle eines Mönches zu, der mir zwei rote Tafeln zeigte, auf denen vergoldete Bilder mit flacher Rückseite aufgeklebt waren. Oben stand eine Pagode, darunter die Trinität der drei Kostbaren, dann ein sitzender Buddha zwischen zwei schlafenden, dann verschiedene Reihen von sitzenden Buddhas mit anbetenden Verehrern umgeben, dann der Sarkophag des zum Nibpan [Nirvana] eingehenden Buddha, dann ein von Elefanten mit Wasser bespritzter Berg. Bücher besaß er nur wenige. Wo immer sich dieser oder einer der anderen Mönche auf der Strasse zeigte, kniete Alles nieder. Auch meine Bootsleute schienen von der Verdienstsucht angesteckt, denn ich sah einen derselben einen Käfig fortnehmen, den darin befindlichen Vogel in Freiheit setzen und das zerbrochene Gefängnis in's Wasser werfen. Spät am Abend wurde mir mitgeteilt, dass der Unteramtmann soeben angekommen sei und mich am andern Tage aufsuchen würde. Schon früh am Vormittage war er da und ließ unter dem Baum, wo ich saß, Teppiche ausbreiten, sich entschuldigend, dass er mich nicht in seiner Wohnung empfange, da dieselbe noch unvollendet sei. Die ganze Existenz dieser Stadt datiere erst seit drei Jahren, als von Bangkok Befehle heraufgekommen wären, sie anzulegen. Wenn man alle Häuser, groß und klein, zusammenrechne, könnte sie ungefähr 2000 enthalten. An einer Stelle des Flusses fand sich der aus Mauersteinen aufgeführte Unterbau einer alten Pagode in pyramidalischer Form. Auf mein Drängen nach möglichst rascher Abfertigung konnte ich um Mittag in das andere Boot übersiedeln, empfing noch einen Besuch des Beamten, der mir Geschenke in Konfekt brachte, sowie des Richters, von dem der Koch mit Hühnern und Reis verproviantiert wurde, und ließ dann aufbrechen. Nach kurzem Aufenthalt in einem Dorfe am Wege, wo einer der Bootsleute eine Bestellung auszurichten hatte, kamen wir Abends in dem Dorfe Kaulao an, dessen Häuser in regelmäßiger Linie rangiert waren, so dass sie Gassen bildeten. Fische wurden durch Aufhängen in der Luft getrocknet. Da bei schwacher Bemannung des Kahns sich bei seichten Stellen oft Schwierigkeiten zeigten, ließ ich von dem dortigen Amtmann noch einen Bootsmann zufügen. Am nächsten Tage waren die Ufer schroffer, obwohl nur niedrig. Da die Bootsleute ihren mitgenommenen Vorrat aufgezehrt hatten, legten sie an einem Dorfe an, um Reis zu kaufen, konnten indes keinen erhalten; doch trafen wir bald darauf Netzfischer, die einen so reichen Fang getan hatten, dass sie uns auf unser Verlangen das ganze Boot voll Fische schütteten, ohne Bezahlung dafür annehmen zu wollen. Die größeren Gattungen von Fischen warfen sie alle in's Wasser zurück, da sie giftig wären (Doch geschieht dies auch als Abschlagszahlung für die im Fischfange begangene Sünde) und nicht gegessen werden dürften. Wir legten dann am nächsten Dorfe Brankün an, und während das Frühstück bereitet wurde, streifte ich in der Umgegend umher und traf abseits vom Wege einen Dämonen-Tempel, wo an bestimmten Tagen, wie mir gesagt wurde, die Dorfbewohner durch Tanzen und Opfergaben ihre Verehrung darbrächten. Diese mit viereckigen Frangen-Tüchern roter und weißer Farbe umhangene Struktur bestand in zwei aus Bambus gefertigten Terassen, die von einem Dache bedeckt waren. In der oberen Etage waren auf drei Planken, drei Figuren mit königlichen Emblemen geschnitzt, die mir als Chao Songkai, Chao Mongkong und Chao Po bezeichnet wurden. Das eine Bild, die Beine über einander geschlagen, war mit einer spitzen Kopfbedeckung geschmückt, das andere, in tanzender Stellung, trug Lotus und andere Blumen in seinen Händen, das dritte, mit geflügelter Kopfbedeckung, hielt eine Muschel und hatte den einen Fuß nach hinten zurückgestoßen. Zwischen ihnen lehnten Holzknüppel, die, wie die Eingeborenen auf meine Frage behaupteten, Blumen-Bäume vorstellen sollten, die aber zu deutlich ihre Natur als Lingam verrieten, als dass ich mich damit zufrieden geben konnte. Ich erfuhr dann, dass diese Stöcke Nak-Mai ((Frauen der Nak oder Nat) genannt wurden, aus einer Art Geschlechtsverwandlung, da die Nat beim Volke als weiblich betrachtet werden. An den Füßen der Kapelle war ein kleiner Holz-Elefant gesetzt von einem Kranken, der dadurch den Dämon bitten ließ, dieses edle Tier statt ihn zu essen. Diese drei Dämonen bilden die Schutzgottheit des Dorfes, und eine Cicerone fügte hinzu, dass, wenn ein Fürst oder großer Herr in zorniger Aufwallung stürbe, er sich in einen Dämon verwandle und zum Protektor auserwählt werden könne. Die Seelen der guten Schamanen empfangen in Sibirien weniger Verehrung, als die der bösen, die schaden können. Das Grab der Madame Todd (Frau eines Missionärs in Mandura), die 1833 gestorben war und bei den Eingeborenen in guter Erinnerung stand, fand man 1853 mit Öl bestrichen und mit Lampen behängt, da es in eine heilige Opferstätte verwandelt war, wo Gelübde abgelegt und Wunder geschahen (nach Taylor). Ein Missionär in Tinnevelly erzählt, wie ein Engländer, ei höchst gottloser Mensch, nach seinem Tode von den Shanars angebetet wurde, weil diese fürchteten, dass seine Seele sich in einen Dämon verwandeln möge und sie quälen. Am Nachmittage passierten wir den Einfluss des Pitsanulok-Flusses in den Menam, und vor dem auf der vorspringenden Landzunge gebauten Zollhause lagen eine Menge größere und kleinere Schiffe, die dort ihre Papiere revidieren lassen und die Steuer von ihrer Fracht entrichten mussten. Die Ufer zeigten weiterhin eine rötliche Färbung, und Abends langten wir in Nakkonsavan, einer neuen Wechselstation an. Ich schickte sogleich zum Gouverneur, der mich zu sich nach seinem Hause einladen ließ, und mir dort mitteilte, dass er schon vor zwei Tagen auf dem Punkt gewesen, nach Bangkok zu reisen, wo der König die Kopfscherung eines seiner Prinzen feierlich zu begehen beabsichtige und dazu alle höheren Beamten längs des Flusses zu sich entboten habe. Eben vor der Abfahrt habe er aber durch einen Eilboten die bevorstehende Ankunft des hohen Fremden erfahren und deshalb dieselbe bis jetzt aufgeschoben, um dem König sogleich die direktesten Nachrichten bringen zu können. So sah ich mich auf einmal in eine wichtige Standesperson verwandelt, ohne noch selbst zu wissen, wodurch und wozu. Vermutlich aber lag in dem mir aufgedrungenen Charakter noch etwas Anderes als die Ehre. Der Gouverneur in Rahein hatte sich aller Wahrscheinlichkeit nach meinem unabhängigen Reisen besonders deshalb entgegengesetzt, weil er, als ohne Präzedenzfall, ungewiss war, wie er sich bei der ganzen Sache zu benehmen habe. Er mochte es deshalb für das Sicherste halten, mich als eine Art Staatsgefangenen mit Regierungsbooten nach Bangkok zu expedieren, damit dort weiter entschieden werden möge.
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