Simon de la Loubère 1688. Beschreibung des Königreichs Siam
Man liebt dort die Hahnengefechte. Wenn ein Hahn fällt, so geben sie ihm zu saufen, weil sie aus der Erfahrung wissen, dass die Ermattung oft nichts anderes, als eine Wirkung des Durstes ist. Allein weil diese Gefechte fast immer einen von den Hähnen das Leben kosten, so hat der König von Siam diese Art von Zweikämpfen verboten, weil die Talapoinen [Mönche] glaubten und sagten, dass die Herren dieser Hähne in der anderen Welt sich zur Strafe mit eisernen Stangen schlagen müssten [dieses Verbot hatte allerdings kaum Auswirkungen]. Die Marionetten in Siam reden nicht, und man schätzt diejenigen, welche aus Laos kommen, höher, als die siamesischen. Weder die einen, noch die anderen, haben nichts Eigentümliches. Aber die siamesischen Gaukler sind vortrefflich. Sie haben Seiltänzer, ähnlich den unseren, aber auch solche: Sie setzen ein Bambusrohr auf die Erde, auf das Ende desselbigen ein zweites, und auf das zweite ein drittes, und auf das dritte einen Reif. Ein Mansch, der seine zwei Hände an die zwei Seiten des Reifs legt, setzt seinen Kopf auf den unteren und inneren Teil des Reifs, schwingt seinen Körper und seine Füsse in die Höhe, und bleibt in dieser Stellung eine, manchmal auch anderthalb Stunden; hernach setzt er einen Fuss dahin, wo sein Kopf stand, und ohne sich anzuhalten, oder ohne den anderen Fuss herunter zu setzen, macht er mit seinem Körper die sonderbarsten Verdrehungen. Und was dies alles gefährlicher und schwerer macht, ist das beständige Gleichgewicht, in dem die Bambusrohre gehalten werden müssen. Einen solchen Gaukler nennen sie "Lot Bouang", welches so viel heisst, als Reifspringer. Die einzigen Tiere, welche die Siamesen abrichten, sind grosse, und wie man sagt, gefährliche Schlangen. Diese Tiere, bewegen sich nach dem Schall musikalischer Instrumente, als wenn sie tanzen wollten. Aber dies hält man für eine Zauberei. Die Siamesen haben auch religiöse Schauspiele. Wenn die Gewässer wieder zu fallen anfangen, so bringt das Volk mehrere Nächte hintereinander durch eine grosse Illumination seinen Dank dar, nicht allein dafür, dass sie sich wieder zurückgezogen, sondern auch für die Fruchtbarkeit, welche sie der Erde gegeben haben. Man sieht alsdann den ganzen Fluss mit schwimmenden Laternen bedeckt, welche auf demselbigen herumfahren. Sie sind von verschiedener Grösse nach der Devotion eines jeden Privatmanns; und das vielfarbige Papier, woraus sie gemacht sind, vermehrt die schöne Wirkung so vieler Lichter. Die Siamesen haben drei Arten von theatralischen Schauspielen. Was sie "Cone" nennen, ist ein Tanz in mehreren Auftritten, unter dem Klang der Violine und einiger anderen musikalischen Instrumente. Die Tänzer sind maskiert und bewaffnet, und stellen mehr einen Kampf, als einen Tanz vor, und obgleich fast alles in stolzen Bewegungen und ausschweifenden Stellungen besteht, so lassen sie doch von Zeit zu Zeit einige Worte dazwischen fallen. Der grösste Teil ihrer Masken sind grässlich anzusehen, und stellen entweder Tierungeheuer oder Dämonen vor. Das Schauspiel, welches sie "Lacone" nennen ist ein episch-dramatisches Gedicht, das drei Tage von acht Uhr des Morgens bis sieben Uhr des Abends fortdauert. Es besteht aus ernsthaften Geschichten in Versen, welche von mehreren Akteuren abgesungen werden, die abwechselnd singen. Einer von ihnen spielt die Rolle des Geschichteschreibers, und die anderen die Rollen der Personen, welche die Geschichte reden lässt; aber das sind lauter Mannspersonen und keine Frauen. Der "Rabam" ist ein Doppeltanz zwischen Männern und Frauen, der nicht kriegerisch, sondern galant ist. Die Tänzer und die Tänzerinnen haben alle falsche und sehr lange Nägel von Messing; sie singen unter dem Tanzen, und sie ermüden sich dabei gar nicht, weil ihre Art zu Tanzen weiter nichts, als ein einfacher, sehr langsamer und von keinen starken Bewegungen begleiteter Gang in die Runde, ist; sie machen aber dabei viele langsame Verdrehungen des Körpers und der Arme, ohne einander zu berühren. Unterdessen unterhalten zwei Personen die Zuschauer durch viele Sottisen, welche die eine im Namen aller Tänzer, und die andere im Namen aller Tänzerinnen sagt. Alle diese Akteure haben nichts besonderes in ihren Kleidungen; bloss diejenigen, welche den Rabam und Cone tanzen, haben hohe Mützen von Goldpapier, welche spitzig und ungefähr wie die Zeremonialhüte der Mandarine sind, aber auf den Seiten unter die Ohren herab gehen, und mit schlecht gemachten falschen Steinen besetzt sind. Der Cone und Rabam werden immer bei Leichenbegängnissen angewendet, und manchmal auch bei anderen Gelegenheiten. Wahrscheinlich haben diese Spiele nichts religiöses, da es den Mönchen verboten ist, ihnen beizuwohnen. Der Lacone dient hauptsächlich dazu, um das Einweihungsfest eines neuen Tempels zu verherrlichen, wenn man darinnen eine neue Statue ihres "Sommona Codoms" (Buddha) errichtet. Dieses Fest ist auch von Stierrennen und mehreren anderen Lustbarkeiten, z.B. von Ringern und Leuten, welche einen Faustkampf gegen einander anstellen, begleitet. Bei diesem Faustkampf wickels sie drei- bis viermal um die Hände kupferne Ringe, deren man sich im Lande Laos bei dergleichen Gefechten bedient. Das Stierrennen wird auf folgende Art angestellt. In der Mitte eines Umfangs errichtet man eine Bühne für die Kampfrichter, und um die Mitte, welches der Ort ist, wo die Stiere herauskommen, setzen sie gerade gegen der Bühne über eine hohe Säule. Manchmal rennen nur zwei Stiere mit einander, von denen jeder von einem laufenden Fussgänger begleitet wird, welche die Zügel oder vielmehr den durch die Nasenlöcher gezogenen Strick halten, der eine auf dieser, der andere auf der anderen Seite, und in verschiedenen Zwischenräumen sind andere Leute aufgestellt, um die laufenden Fussgänger abzulösen. Aber sehr oft sind ein paar Ochsen an eine Art von Pflug gespannt, welche gegen ein anderes an den Pflug gespanntes paar Ochsen rennt; es begleiten sie rechts und links Leute, so wie die einzelnen Ochsen. Ausserdem wird aber der Pflug von einem hinter ihm herlaufenden Mann so in die Höhe gehalten, dass er niemals die Erde berührt, aus Furcht, es möchte das angespannte Tier dadurch aufgehalten werden, und auch diese Leute, welche die Pflüge halten, werden öfters durch andere abgelöst. Eine weitere Lustbarkeit oder vielmehr ein Spiel war ein Wettrennen der "Balons" (Boote), das man uns auf dem Wasser gab. Sie wählen zwei Balons, die einander in allen Stücken so gleich sind, als es möglich ist, und teilen sich in zwei Rotten, um zu wetten. Hierauf geben die stehenden Befehlshaber einen schnellen Takt, nicht allein mit einem langen Bambusrohr, das sie in der Hand halten, sondern auch mit einem Geschrei und einer Bewegung ihres ganzen Körpers. Die sämtlichen Ruderer wiederholen dieses Geschrei, und die wettenden Zuschauer erheben gleichfalls ihre Stimmen. Oft überlässt man nicht einmal den Befehlshabern das Geschäft, die Ruderer aufzumuntern, sondern die Wettenden übernehmen es selbst. Die Siamesen lieben das Spiel so sehr, dass sie sich dadurch zu Grunde richten, und ihre oder ihrer Kinder Freiheit dadurch verlieren; denn in diesem Lande verkauft derjenige, der seinem Gläubiger nicht befriedigen kann, seine Kinder, um ihn zu bezahlen, und, wenn dieses nicht hinreicht, so macht er sich selbst zu Sklaven. Das Spiel, welches sie vorzüglich lieben, ist das "Tric-trac", das bei ihnen "Saca" heisst, und welches sie vielleicht von den Portugiesen gelernt haben; denn sie spielen es, wie dieselbigen und wie wir. Ich kenne jedoch ihre anderen Hazardspiele nicht; aber sie spielen Schach nach unserer, und chinesischer Art. Rauchtobak ist auch ein grossen Vergnügen für sie, und die Weibspersonen, selbst die wichtigsten, sind ihm sehr ergeben. Dieses sind die Vergnügungen der Siamesen, zu welchen man noch die häuslichen Ergötzlichkeiten hinzu setzen kann. Ihre Frauen und Kinder lieben sie sehr, und sie scheinen auch von denselbigen sehr geliebt zu werden. Während sie sechs Monate des Jahres Hof- oder Frondienste tun, welche sie alle Jahre dem König schuldig sind, müssen sie auch ihre Frauen, Mütter und Kinder ernähren. Und selbst, wenn sie mit ihren Hofdiensten zu Ende und nach Hause zurück gekehrt sind, so wissen die wenigsten nicht, mit was für einer Arbeit sie sich beschäftigen sollen, weil sie an kein besonderes Handwerk gewöhnt sind, und der König zu allen sie, ohne Unterschied, wie es ihm gefällt, zu gebrauchen pflegt. Daraus kann man schliessen, dass die gewöhnliche Lebensart der Siamesen sehr müssig ist. Er arbeitet fast gar nicht, wenn er nicht für seinen König arbeitet. Er geht nicht spazieren, er geht nicht auf die Jagd; er tut fast gar nichts, als dasitzen oder liegen, spielen, essen, Tobak rauchen und schlafen. Das Weib weckt ihn um sieben Uhr des Morgens auf, und setzt ihm Reis und Fische vor; dann legt er sich wieder nieder, und zu Mittag isst er wieder, welches er Abends noch einmal wiederholt. Zwischen diesen zwei letzten Mahlzeiten hält er seine Mittagsruhe; Gesellschaft oder Spiel nehmen die übrige Zeit des Tages hinweg. Die Frauen bearbeiten das Feld, und kaufen und verkaufen in den Städten.
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