Simon de la Loubère 1688. Beschreibung des Königreichs Siam
Die Mandarine, das sind die Beamten, tragen ausser diesem Stück Tuch ein mousselines Hemd, welches ihnen gleichsam statt eines Rockes dient. Sie ziehen es ab, oder wickeln es um die Mitte ihres Leibs, wenn sie zu einem Mandarin von höherem Range kommen, um ihm dadurch zu bezeugen, dass sie bereit sind, dahin zu gehen, wo er sie hinschicken will. Nichts desto weniger blieben die Offiziere, welche wir bei den Audienzen des Königs von Siam sahen, damit als wie mit ihrem Zeremonienkleid bekleidet; und eben daher hatten sie auch immer ihre hohen und spitzen Hüte auf den Köpfen. Diese Hemden haben keinen Kragen und sind oben offen, ohne dass sie nötig hätten, dieselbigen, um ihren Magen zu bedecken, zu befestigen. Die Ärmel fallen fast bis auf die Hand vor, haben fast zwei Schuh im Umfang; sind aber weder oben noch unten gefältelt. Übrigens ist der Körper derselbigen sehr enge. Im Winter legen sie manchmal noch ein Stück Tuch oder Seidenzeug über ihre Schultern, entweder nach Art eines Mantels, oder nach Art einer Schärpe, deren äusserste Enden sie sehr artig um ihre Arme zu wickeln wissen. Es ist in Siam ein allgemeiner Gebrauch, dass der König und alles, was ihm in den Krieg oder auf die Jagd nachfolgt, rot gekleidet ist. Auch die weisse, hohe uns spitze Mütze ist eine Zeremonialtracht, die der König von Siam und seine Beamten tragen. Die Mütze des Königs ist mit einem Kreis, der mit Edelsteinen besetzt ist, umgeben; die Mützen der Beamten sind mit verschiedenen goldenen, oder silbernen oder nur vergoldeten Ringen umgeben, um ihre Würden zu bezeichnen; oder sie sind ohne diesen Schmuck. Die Beamten tragen sie nicht anders, als in Gegenwart ihres Königs, oder auf ihren Tribunalen, oder bei Zeremonien. Sie befestigen dieselbigen mit einem Band, das um das Kinn herumgeht, und nehmen sie niemals ab, um jemand zu grüssen. Die Mauren haben bei ihnen den Gebrauch der Pantoffeln eingeführt. Sie ziehen dieselbigen vor den Türen, sowohl in ihren, als auch in fremden Häusern ab, um die Orte, wo sie hineingehen, nicht zu beschmutzen. Der Unterschied zwischen der weiblichen und männlichen Kleidung ist, dass die Weiber ihren Umwurf nach der Länge, wie einen Unterrock, tragen, der ihnen bis an das Ende der Wade geht, statt dessen die Männer dieses Stück Zeug zwischen den Schenkeln hinauf schlagen, wodurch eine Art von Tasche entsteht, der sie sich oft zur Aufbewahrung ihres Betels bedienen: An dem Oberleibe sind die Weiber fast ganz nackt; denn sie haben keine Hemden von Mousselin. Nur allein die Reichen tragen eine Art von Halstuch, deren äussersten Teile sie manchmal um die Arme wickeln; die galanten aber legen es in Falten oben über die Brust, und lassen die zwei Ecken hinten über die Schultern hinunter hängen. Wenn sie sich niederlegen, so entkleiden sie sich nicht, sondern wechseln wenigstens nur ihr Gewand, so wie sie dieses auch tun, wenn sie sich im Flusse baden Sie tragen Ringe an den drei letzten Fingern einer jeden Hand, und die Mode erlaubt ihnen so viele anzustecken, als sie mögen. Von Halsgehängen wissen weder Männer noch Weiber etwas; aber die Weiber und die Kinder beiderlei Geschlechts kennen den Gebrauch der Ohrgehänge. Diese sind gewöhnlich birnförmig, von Gold oder Silber, oder auch nur vergoldet. Knaben und Mädchen aus guten Häusern tragen auch Armbänder, aber nur bis in das sechste oder siebente Jahr. Dieses sind goldene, oder silberne, oder vergoldete Ringe. Ihre Haare sind schwarz, dick und glatt, und beide Geschlechter tragen sie so kurz, dass sie nur bis an die Ohren rings um den Kopf herabhängen. Die Weiber streichen sie auf der Stirne zurück, ohne sie indessen anzubinden. Sie baden sich täglich drei bis viermal und wohl noch öfter, und es ist eine ihrer Galanterien, keinen bedeutenden Besuch zu machen, ohne gebadet zu habem; und in diesem Falle machen sie mit ein wenig Kreide ein weisses Zeichen auf die Brust, um dadurch zu erkennen zu geben, dass sie aus dem Bade kommen.
Wenn ein jedes Haus alleine steht, so geschieht dies mehr deswegen, damit das Hauswesen abgesondert bleibe, welches sich sonst durch so dünne Wände verraten würde, als wegen Furcht vor Feuersgefahr; denn ausserdem, dass sie ihre kleinen Feuer in den Höfen und nicht in den Häusern anmachen, so würden sie keinen grossen Schaden anrichten. Während unseres Aufenthaltes zu Siam brannten dreihundert Häuser ab, welche in zwei Tagen wieder aufgebaut waren. Ihr Herd ist ein mit Erde gefüllter Korb, der auf drei Stecken, wie ein Dreifuss, ruht. So machen sie auch ihre Feuer in den Wäldern bei der Elefantenjagd an. Die grossen Hofbedienten haben von Schreinerarbeit verfertigte Häuser, welche man grosse Schränke nennen könnte; aber es wohnen nur der Herr, seine vornehmste Frau, und die Kinder derselben darinnen. Eine jede der anderen Weiber mit ihren Kindern, ein jeder Sklave mit seiner Familie, alle haben ihre kleinen abgesonderten Wohnungen, die aber nichts destoweniger in einem Umfang von Bambus mit dem Hause des Herrn stehen, ob sie gleich verschiedene Haushaltungen ausmachen. Ein einziges Stockwerk ist für sie genug ... Das mag daher rühren, dass in der Stadt einfach genug Platz ist, sodass keine Notwendigkeit für mehrstöckige Häuser besteht. Man sagt aber doch, dass die Ursache, warum ihre Häuser nur ein einziges Stockwerk hoch sind, dieser wäre, damit keine Person höher als der König sei, wenn er auf seinem Elephanten durch die Strassen reitet, und dass noch über dieses, um zu beweisen, dass sie niedriger sind, als der König, wenn er sich zu Wasser oder zu Land befindet, sie alle ihre Fenster zuschliessen, auf die Strasse hinuntergehen oder in ihre [Wasser]Fahrzeuge steigen müssen, um sich dort auf das Angesicht niederzuwerfen. Einige setzen auf die Seite ihrer Häuser, um die Sonne abzuhalten, Schirmdächer, wie grosse Segel, die manchmal durch Säulen unterstützt werden. Andere machen ein doppeltes Corps de Logis, damit die Luft von dem einen in das andere streiche. Die Zimmer sind gross und haben viele Öffnungen, damit sie luftiger und frischer sind, und die im ersten Stockwerk haben die Aussicht auf einen niedrigen Saal, welcher manchmal ganz mit Gebäuden umgeben ist, durch welche er das Tageslicht empfängt. Diesen nennen sie "Divan"; ein arabisches Wort, welches eigentlich eine Rats- oder Gerichtsstube heisst. Es gibt noch andere Arten von Divans, welche nur drei Wände haben; die vierte fehlt auf der Seite, wo die Sonne weniger in allen Jahreszeiten herscheint. Auf der offenen Seite spannen sie ein Segeltuch auf, das so hoch, als das Dach ist, und das Innere des Divans ist oft von oben bis unten mit in der Wand angebrachten Nischen versehen, in welche sie porcellaine Gefässe setzen. In unserer Wohnung zu Siam hatten wir einen solchen Divan, und vor dem ausgespannten Tuch sprang ein kleiner Springbrunnen. Die Dächer der Paläste und Pagoden sind mit gelb gefärbten Ziegeln bedeckt. Was bei ihnen die Häuser wirklich auszeichnet ist dieses, dass, ob sie gleich nur ein Stockwerk hoch sind, dennoch die Zimmer nicht auf einer Ebene neben einander liegen, so dass man immer einige Stufen steigen muss, um von den einen in das andere zu kommen, denn sie stossen alle an einander, welches auch die Ursache von der Ungleichheit der Dächer ist. Diese sind alle in der Mitte spitzig zulaufend; aber eines niedriger, als das andere. Diese Ungleichheit der Dächer bezeichnet die Grösse des Bewohners: Die ersten Hofleute haben drei Gebäude an einander, von denen das eine höher ist, als das andere; aber an dem Palaste zu Siam habe ich sieben Dächer, eines über das andere hervor ragend, gesehen. Ich habe nichts im Palaste des Königs gesehen, als den Audienzsaal, welches das erste Zimmer ist. Man sagt, dass niemand weiter hineingehen darf ... vor diesem Saal und auf dessen beiden Seiten, war eine Terasse, welche die Aussicht auf den herumliegenden Garten hatte. Mitten im Garten und in den Höfen sind einzelne stehende Hallen, welche man Säle nennt Es sind dieses viereckige Plätze, welche mit einer Brusthöhe umgeben, und mit einem Dache bedeckt sind. Diese Säle sind für die vornehmen Mandarine bestimmt, welche darinnen mit untergeschlagenen Beinen sitzen, entweder um ihre Ämter zu verrichten, oder um den Hof zu machen, das ist, um die Befehle des Königs zu erwarten; dies geschieht des Morgens sehr spät, des Abends aber dauert es bis in die Nacht hinein, bis sie die Erlaubnis erhalten fortzugehen.
Ihr Tischgeschirr ist entweder von Porcellain, oder von Ton, nebst einigen kupfernen Gefässen. Das blosse oder das lakierte Holz, der Kokosbaum und der Bambus, giebt ihnen das Übrige. Wenn sie auch etwas von goldenen oder silbernen Gefässen haben, so ist das sehr wenig, und beinahe nur ein Geschenk des Königs, und gleichsam ein Zeichen ihrer Würde. Ihre Eimer zum Wasserschöpfen sind von Bambus sehr nett geflochten. Man sieht das Volk auf den öffentlichen Strassen Reis in Gefässen von Kokos kochen, und der Reis kocht darinnen eher aus, als der Kokos verbrannt ist; aber man kann ihn nur ein einzigesmal brauchen. Übrigens baut ein jeder sein Haus selbst, wenn er es nicht durch seine Sklaven tun lässt; und daher ist die Säge und der Hobel ein allgemeiner Hausrat. Ihr König hat beinahe die nemlichen, aber sie sind reicher und kostbarer, als die von Privatpersonen. Die Säle, welche ich in den Palästen von Siam und Louvo gesehen habe, sind ganz getäfelt, und das Täfelwerk ist rot lackiert mit vergoldeten Streifen und Laubwerk. Die Fussböden waren mit Teppichen bedeckt.
Die Siamesen essen nur selten Fleisch, selbst wenn man es ihnen schenkt. Sie verkaufen in ihren Bazars oder Speisemärkten gebratene Insekten. Der König von Siam liess uns Geflügel und andere lebende Tiere schenken; aber es mussten sie unsere Leute schlachten und zur Tafel zubereiten, indem die Siamesen sich nicht darauf verstehen. Je heisser also die Länder sind, desto natürlicher ist ihnen die Mässigkeit.
Die Siamesen leben selten lange. Unter ihre gefährlichsten und die häufigsten Krankheiten gehört der Durchlauf und die Ruhr. Sie werden bisweilen von hitzigen Fiebern befallen; übrigens sind die Entzündungskrankheiten in diesem Lande selten. Es giebt aber viele krebsartige Geschwüre, Abszesse und Fistuln. Das Rotlauf ist daselbst sehr häufig. Es giebt viele ausserordentliche Krankheiten, welche das Volk für Wirkungen der Zauberei hält. Es herrschen daselbst auch ansteckende Krankheiten, besonders schlimm sind die Kinderblattern. Sie richten oft unbeschreibliche Verwüstungen an, und alsdann scharren sie die Körper in die Erde, ohne sie zu verbrennen; weil aber ihre Liebe zu den Verstorbenen ihnen diese letzte Ehre zur Pflicht macht, so graben sie dieselbigen in der Folge (nach frühestens drei Jahren) wieder aus.
Weil man aber in diesem Lande mehr auf dem Wasser fährt, als zu Lande reiset, so hat der König von Siam sehr schöne "Balons" oder Ruderschiffe. Ich habe schon gesagt, dass ein solches Balon aus einem einzigen sechzehn bis zwanzig Schuh langen Baume besteht. Es befinden sich oft auf einem einzigen Balon bis gegen hundert und mehr Ruderer. Auf den gewöhnlichen Balons, wo weniger oder mehrere Ruderer sind, steht in der Mitte eine Hütte von Bambus oder von anderm Holz, welche weder bemalt noch lackiert ist, in welcher sich eine ganze Familie aufhalten kann, und bisweilen hat diese Hütte auf der vorderen Seite noch ein Schirmdach, unter welchem sich die Sklaven aufhalten. Und oft haben die Siamesen gar keine andere Wohnung. Aber in den Zeremonial-Balons, oder in denjenigen, welche für den Hofstaat des Königs von Siam bestimmt sind, ist in der Mitte ein Sitz, der beinahe die ganze Breite des Fahrzeugs einnimmt, und auf dem nur eine einzige Person mit ihren Waffen, dem Säbel und der Lanze, sitzt. Der Deckenhimmel der Staatsbalons sind stark vergoldet, so wie auch die Ruder. Jene ruhen auf Säulen, und sind mit allerlei pyramidenförmigen Bildhauerarbeiten angefüllt. Einige haben Schirmdächer gegen die Sonne. Da diese Fahrzeuge sehr schmal und recht dazu gemacht sind, das Wasser zu durchschneiden, und da auch die Mannschaft darauf sehr zahlreich ist, so kann man sich nicht vorstellen, mit welcher Geschwindigkeit sie auch gegen den Fluss fahren, und was eine grosse Anzahl derselbigen, wenn sie in guter Ordnung mit einander dahin rudern, für einen schönen Anblick gewährt.
| ||