siam


Simon de la Loubère 1688. Beschreibung des Königreichs Siam

Erste Abteilung / Von dem Lande Siam

I.   Erstes Kapitel: Geographische Beschreibung

Die Schiffahrt hat die Seeküsten des Königreichs Siam genug kennen lernen, und sie sind von vielen Schriftstellern beschrieben worden; aber von dem Inneren des Landes weiss man beinahe nichts, weil die Siamesen keine Karte von ihrem Lande haben, oder sie wenigstens nicht bekannt machen. Diejenige, welche ich mitteile, ist das Werk eines Europäers, welcher auf dem Menam, dem Hauptfluss des Landes, bis an die Grenzen des Reiches hinaufgefahren ist, welcher aber doch nicht genug im Stande war, alle Lagen mit einer genauen Richtigkeit anzugeben. Ich habe es daher für nötig gehalten, diese Karte dem Herrn Cassini, dem Direktor der Sternwarte zu Paris, zu geben, um sie nach einigen Nachrichten, die ich zu Siam erhalten hatte, zu verbessern. Ich weiss wohl, dass sie noch fehlerhaft ist; aber sie gibt doch eine bessere Kenntnis von diesem Reiche, als irgend eine, welche man bisher davon hatte.
          Die Grenzen desselbigen erstrecken sich gegen Norden bis ungefähr zum 22sten Grad, und da die Rhede welche dem Meerbusen endigt, ungefähr auf der Höhe von 13 einhalb Grad liegt, so folgt daraus, dass diese Länge ungefähr 170 französische Meilen in gerader Linie beträgt.
          Die Siamesen sagen, dass die Stadt Chiamai [Chiang Mai] fünfzehn Tagreisen weiter gegen Norden liege, als die Grenzen ihres Reiches. Es sind beinahe 30 Jahre, sagen sie, dass ihr König diese Stadt eroberte, sie aber wieder verliess, nachdem er alle Bewohner daraus weggeführt hatte; und seit der Zeit wurde sie von dem König von Ava, dem jetzt auch Pegu unterworfen ist, wieder bevölkert. Aber die Siamesen, welche diesem Feldzuge beiwohnten, kennen den berühmten See nicht, aus welchem unsere Geographen den Fluss Menam entspringen lassen; daher ich glaube, dass er noch weiter entfernt ist, als unsere Geographen glauben, oder dass gar kein solcher See vorhanden ist. Es kann sein, dass diese Stadt, welche in der Nähe mehrerer Reiche liegt, und daher durch Kriege verwüstet worden ist, nicht an dem nemlichen Orte wieder aufgebaut worden, welches leicht zu glauben ist, da die Städte dieses Landes nur von Holz sind, und bei ihrer Zerstörung weder Gemäuer, noch einen Grund zurück lassen. Wie dem auch sei, so kann man doch zweifeln, ob der Menam aus einem See komme, da er bei seinem Eintritt in das Königreich Siam so klein ist, dass er 50 französische Meilen weit nur kleine Schiffe trägt, auf welchen sich nicht mehr als vier oder fünf Personen befinden.
          Das Königreich Siam ist von hohen Gebirgen eingeschlossen. Diese zwei Gebirgsketten, welche von nicht zahlreichen, wilden und armen, aber freien und unschuldigen Völkern bewohnt werden, lassen ein grosses Tal dazwischen, das an einigen Orten 24 bis 100 französische Meilen breit - und von der Stadt Chiamai an bis an das Meer, das ist, von Norden bis Mittag, von einem schönen Fluss durchschnitten wird, den die Siamesen Me-nam nennen, so viel, als das grosse Wasser. Er vergrössert sich durch die Bäche und kleine Flüsse, welche sich von den gedachten Gebirgen auf beiden Seiten in ihn ergiessen, und fliesst endlich in den Meerbusen von Siam durch drei Mündungen, wovon die gegen Morgen die schiffbarste ist, in das Meer.
          An diesem Flusse, sieben Meilen von der See, liegt die Stadt Bangkok. Hier muss ich im Vorbeigehen bemerken, dass die Siamesen sehr wenige Dörfer auf beiden Seiten des Flusses haben, welche mehr als eine kleine Tagreise von dem Flusse entfernt wären, sondern sie liegen fast alle an den schiffbaren Flüssen, um ihnen eine Seehandlung zu verschaffen. Was die Namen der meisten dieser Orte anbetrifft, so sind sie durch die Ausländer verstellt worden. So heisst die Stadt Bangkok auf Siamesisch Fon, ohne dass man weiss, woher sie den Namen Bangkok bekommen hat; ob es gleich viele Siamesische Namen gibt, die sich mit dem Worte Ban anfangen, welches eine Stadt, oder ein Dorf bedeutet.
          Die Gärten von Siam, in dem Gebiet von Bangkok, nehmen einen Umfang von vier französischen Meilen ein, und erstrecken sich gegen die Stadt Siam bis an einen Ort, der Talocvan heisst, und liefern der Hauptstadt Lebensmittel, wovon die Landeseinwohner grosse Liebhaber sind, nämlich eine grosse Menge Früchte.
          Die anderen vornehmsten Orte, welche der Menam bespült, sind: Me-Tak, die erste Stadt des Königreiches gegen Nord-Nord-Westen, und hernach Tian-Tong, Campeng-pet, oder Campeng schlechtweg, welches einige Campingue aussprechen, Laconce-van, Thainat, Siam, Talacoan, Talaqueou und Bangkok. Zwischen den zwei Städten Thainat und Siam in der Mitte liegt auf der östlichen Seite des Flusses die Stadt Louvo, wo der König von Siam den grössten Teil des Jahres zubringt, um das Vergnügen der Jagd recht ungestört zu geniessen. Der Ort würde aber unbewohnt sein, wenn nicht ein Kanal aus dem Flusse in denselbigen hingezogen wäre. Die Stadt Me-Tak gehört einem Fürsten, der ein Erbvasall des Königs von Siam sein soll, welcher Pa-ya Tac, das heisst, Prinz von Tac heisst. Tian-Tong liegt in Trümmern, indem es wahrscheinlich in den alten Peguanischen Kriegen zerstört worden ist . Campeng ist durch seine vortrefflichen Stahlgruben bekannt.
          Bei der Stadt Leconcevan nimmt der Menam einen anderen beträchtlichen Fluss auf, der auch Menam heisst, und ebenfalls non Norden kommt; denn alle grossen Flüsse heissen Menam. Unsere Geographen lassen ihn aus einem See bei Chiamai [Chiang Mai] kommen; man versichert aber, dass er seinen Ursprung in den Gebirgen habe, welche nicht so weit gegen Norden, als diese Stadt liegen. Er fliesst bei Meuangfang [Fang], Pit-chiai, Pitsanouleuc und Pitchit vorbei. Pitsanoulouc, welches die Portugiesen durch eine verdorbene Aussprache Porselouc nennen, hatte sonst Erbherren, wie die Stadt Me-Tak; und man hält noch heutzutage daselbst Gericht in dem Palast der alten Prinzen. Diese Stadt treibt eine grossen Handel und ist mit vier grossen Bastionen befestigt. Laconcevan liegt auf der Hälfte des Weges von Pitsanoulouc oder Porselouc nach Siam, in einer Weite, welche man auf fünfzehn Tagreisen schätzt, wenn man auf dem Fluss in einem Balon, oder einen Siamesischen Ruderschiff, fährt; man kann aber diesen Weg auch in zwölf Tagen machen, wenn man viele Ruderer nimmt.
          Diese Städte, so wie die anderen in Königreich Siam, sind nichts anderes, als ein Haufen von Hütten, die oft mit hölzernen Pallisaden, manchmal aber von einer steinernen Mauer umgeben sind, welche meistenteils aus Ziegelsteinen besteht. Da aber nichts destoweniger die Morgenländer auch bei der Armut der Sachen in ihrer Sprache immer die Pracht lieben, so sind auch die Namen dieser Städte prächtig: z.B. Tian-Tong heisst "echtes Gold";Campeng-pet "Mauern von Diamant";Laconcevan "Berg des Himmels". Da Fang der Name eines berühmten Färbebaums ist, so hat die Stadt Meuang-fang davon wahrscheinlich den Namen; weil man aber dort auch einen Zahn aufbewahrt, welchen man für eine Reliquie des Sommona-Codom, dem zu Ehren die Siamesen Tempel bauen, ausgiebt, so wollen einige diese Stadt nicht Meuang-fang, sondern Meuang-fan, das ist die "Zahnstadt" nennen. Der Aberglaube dieser Völker zieht eine grosse Anzahl von Pilgern nicht nur aus Siam, sondern auch aus Pegu und Laos dahin.
          Ein ähnlicher Aberglaube lockt sie auch an einen anderen Ort hin, der Pra-bat heißt, und vier oder fünf Stunden nordöstlich von der Stadt Louvo liegt. Dieser Aberglaube hat folgende Quelle: Bat heißt in der gelehrten oder Religionssprache von Siam ein Fuß, und das Wort Pra, dessen Bedeutung sich nicht ganz bestimmt angeben lässt, bedeutet in dieser Sprache alles, was achtungs- und verehrungswürdig ist. Die Siamesen geben der Sonne und dem Mond, dem Sommona-Codom, ihren Königen und einigen angesehenen Offizieren diesen Titel. - Der Pra-bat ist der Eindruck eines menschlichen Fußes, der von einem schlechten Künstler in einen Felsen eingegraben ist; aber dieser dreizehn bis vierzehn Zoll tiefe Eindruck, ist fünf bis sechsmal breiter und länger, als ein natürlicher Menschenfuß. Die Siamesen beten ihn an, und glauben, dass auch die Elephanten, und besonders die weissen Elephanten, die Rhinoceros und alle anderen Tiere ihrer Wälder ihn ebenfalls anbeten, wenn niemand dort ist. Selbst der König von Siam kommt des Jahres einmal mit sehr vielen zeremoniösen Pomp dahin, um diese Anbetung zu verrichten. Er ist mit Goldblech umgeben, und in eine Kapelle eingeschlossen. Man gibt vor, dass dieser Stein, der jetzt ganz platt ist, einstens ein sehr hoher Berg gewesen sei, der auf einmal unter dem Fuße des Sommona-Codoms niedersank und sich einebnete, und zu dessem Andenken ist nach ihrer Meinung der Eindruck des Fußes in diesem Steine geblieben. Unterdessen ist es nach dem Zeugnis alter Leute sicher, dass diese Tradition nicht älter, als ungefähr neunzig Jahre ist. Ein Talapoin, oder ein siamesischer Mönch, hat ungefähr um diese Zeit diesen Eindruck auf den Stein gemacht, und darauf erdichtet, dass er dieses Mirakel entdeckt habe; und so fand die Fabel von dem plattgedruckten Berg, ohne einigen Schein der Wahrheit, Beifall und Glauben.
          Nun sind aber die Siamesen in diesem Stücke nichts, als große Nachahmer. Man liest in der Geschichte von Indien, mit welcher Ehrfurcht ein König von Ceylon einen Affenzahn aufbewahrte, von dem die Indianer sagten, dass es eine Reliquie sei, und den sie um eine große Summe von dem ehemaligen Vizekönig von Indien, Konstantin von Bragance, auslösen wollten, der ihn unter der den Indianern abgenommenen Beute gefunden hatte; der bigotte Vizekönig wollte ihn aber lieber verbrennen, und die Asche hernach in das Meer werfen lassen. Es ist bekannt, dass auf eben dieser Insel Ceylon, welche bei den Indianern Lanca heißt, auf einem wirklichen Berge sich ein vorgeblicher menschlicher Fußstapfe befindet, der seit langer Zeit sehr verehrt wird. Er stellt wirklich einen linken Fuß vor; denn die Siamesen sagen, dass Sommona-Codom seinen rechten Fuß auf ihren Pra-bat und den linken auf den Lanca gesetzt habe, obgleich der ganze Meerbusen von Bengalen dazwischen ist.
          Die Portugiesen nannten den Fußtritt auf Ceylon den Fuß Adams, weil sie auf die Versicherung der Indianer auf Ceylon glaubten, dass Ceylon das irdische Paradies gewesen sei, und dass dieser Fußtritt von dem Adam herkäme; denn alle heidnische Nationen in Indien behaupten, dass ihr Land zuerst von Menschen bewohnt worden sei. So nennen auch die Chinesen den ersten Menschen Puoncucu, und glauben, dass er in China gewohnt habe. Ich will nichts von mehreren solcher Fußstapfen reden, welche an verschiedenen Orten in Indien verehrt werden, vielweniger von dem Fußstapfen des Herkules, von welchen Herodot redet; sondern kehre zu meinem Gegenstande zurück.


Fortsetzung




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