leben im alten siam


Simon de la Loubère 1688. Beschreibung des Königreichs Siam

Selektive Auszüge 4

Von den Heiraten und Ehescheidungen der Siamesen

Es ist in diesem Lande nicht gebräuchlich, den Mädchen den Umgang mit jungen Leuten zu erlauben. Die Mütter züchtigen sie, wenn sie dieselbigen in einer solchen Gesellschaft antreffen; aber die Mädchen unterlassen nicht, zu entwischen, wenn sie können, und das ist ihnen Abends gar leicht möglich
Sie sind schon im zwölften Jahre oder noch eher im Stande, Kinder zu gebären. Es ist also gewöhnlich, sie sehr jung zu verheiraten, und verhältnismässig auch die Jünglinge. Es gibt aber doch einige Siamesen, welche durch ihr ganzes Leben sich nicht verheiraten mögen; es bekennt sich aber keiner davon zu dem Orden der Talapoinen [buddhistische Mönche], das ist, es weiht sich keiner dem religiösen Leben, der nicht schon alt wäre.
Wenn von einer Heirat die Rede ist, so lassen die Eltern des jungen Menschens um die Tochter bei ihren Eltern anhalten, und zwar durch bejahrte und in gutem Ansehen stehende Frauen. Wenn die Eltern des Mädchens dazu geneigt sind, so geben sie eine günstige Antwort. Sie behalten sich nichts destoweniger die Freiheit bevor, die Neigung ihrer Tochter vorher auszuforschen; und zu gleicher Zeit fragen sie nach der Geburtsstunde des Jünglings, und geben die von ihrer Tochter an. Dann geht man von beiden Seiten zu den Wahrsagern, um hauptsächlich zu erfahren, ob die vorgeschlagene Partei reich sei, und ob die Heirat bis an den Tod ohne Ehescheidung fortdauern werde. Weil jedermann sorgfältig sein Vermögen verbirgt, um es wegen der Erpressungen der Magistratspersonen und der Habsucht der Fürsten in Sicherheit zu setzen, so gehen sie zu den Wahrsagern, um zu erfahren, ob eine Familie reich sei, und auf die von denselben eingezogene Nachrichten nehmen sie ihren Entschluss. Wenn die Heirat geschlossen werden soll, so macht der junge Mensch bei dem Mädchen dreimal Besuche, bringt ihr Geschenke von Betel und Früchten, aber nichts kostbares. Bei dem dritten Besuch befinden sich auch die beiderseitigen Eltern, und man gibt das Heiratsgut der Braut an, welches man dem Bräutigam auf der Stelle und in Gegenwart der Eltern ausliefert, aber ohne etwas schriftliches aufzusetzen. Die Neuverheirateten erhalten auch gewöhnlich bei dieser Gelegenheit Geschenke von ihren Verwandten, und alsdann hat der Bräutigam ohne irgend eine Religionszeremonie das Recht, die Ehe zu vollziehen. Es ist sogar den Talapoinen verboten, einer Verheiratung beizuwohnen. Erst nach einigen Tagen gehen sie zu den neuen Eheleuten, bespritzen sie mit Weihwasser, und sagen einige Gebete (in der Sprache Pali) her.
Die Hochzeit ist, wie überall, mit Festen und Schauspielen begleitet. Sie bestellen dazu Tänzer von Profession; aber weder der Bräutigam, noch die Braut, noch eine der eingeladenen Personen tanzen. Das Fest wird bei den Eltern der Braut gehalten, wo der Bräutigam einen abgesonderten Saal dazu bauen lässt, und von da führt man die Neuverheirateten in ein anderes abgesondertes Gebäude, das ebenfalls auf Kosten und Besorgung des Bräutigams ausdrücklich erbaut worden ist, und zwar in einem Umfang von Bambusrohren, der die Wohnung der Brauteltern absondert. Die neuen Eheleute bleiben daselbst einige Monate, und hierauf können sie wohnen, wo es ihnen beliebt, ein Haus zu bauen. Ein besonderer Schmuck für die Töchter der Mandarine, welche verheitatet werden, ist dieser, dass man ihnen einen goldenen Ring auf das Haupt setzt, welchen die Mandarine an ihre Zermonialmütze befestigen. Ausserdem besteht der Putz in schöneren Ohrgehängen als gewöhnlich, und aus vielen und schönen Fingerringen.
Das grösste Heiratsgut zu Siam besteht aus hundert Calis, welche fünfzehnhundert Livres ausmachen, und da gewöhnlich das Vermögen der Braut und des Bräutigams gleich ist, so folgt daraus, dass das grösste Vermögen zweier unverheirateter Personen nicht über drei tausend Livres hinauf steigt.
Die Siamesen können mehrere Frauen zugleich haben, ob sie es gleich für besser halten, nicht mehr als eine einzige zu haben. Nur einige reiche Leute glauben einen Vorteil davon zu haben, und das mehr aus Stolz und vermeinter Grösse, als aus Unenthaltsamkeit. Wenn sie auch mehrere Frauen zugleich haben, so ist immer eine darunter die vornehmste, welche daher auch die Grossfrau heisst. Die anderen, welche man die Unterfrauen nennt, sind zwar wirklich legitim, das heisst, nach den Gesetzen erlaubt, aber der vornehmsten unterworfen. Das sind aber nur gekaufte Frauen, und folglich Sklavinnen, so dass auch die Kinder dieser Unterfrauen ihren Vater "Po Tchtaou", das ist Herr Vater , nennen, anstatt dass die Kinder der Hauptfrau ihn schlechtweg "Po", das ist Vater heissen.
Die Ehe in den ersten Graden der Verwandtschaft ist bei ihnen verboten; doch können sie nichts destoweniger ihre leiblichen Geschwisterkinder heiraten. Es kann auch ein Mann zwei Schwestern nach einander zur Ehe nehmen; nur nicht zu gleicher Zeit. Hingegen die Könige von Siam dispensiren sich von diesen Regeln.
Die Succession in den Privatfamilien in Siam ist ganz für die Hauptfrau und hernach für ihre Kinder bestimmt, welche ihre Väter in gleichen Portionen erben. Die Unterfrauen und ihre Kinder können von den Erben verkauft werden; und sie haben nichts, als was ihnen der Erbe schenkt, oder was ihnen der Vater vor seinem Tod von Hand zu Hand gegeben hat, denn bei den Siamesen weiss man nichts von Testamenten. Die Töchter der Unterfrauen werden verkauft, und die angesehensten Männer kaufen die schönsten, ohne auf die Eltern, von denen sie abstammen, Rücksicht zu nehmen, und daher machen sie auf diese Art sehr ungleiche Heiraten, und diejenigen, mit denen sie sich verheiraten, erhalten dadurch weder mehr Ehre, noch Schutz.
Das Vermögen der Siamesen besteht hauptsächlich in Meublen. Wenn sie auch Ländereien haben, so sind es wenige, weil sie nicht das volle Eigentumsrecht darüber erlangen können. Sie gehören immer dem König, welcher die Ländereien, die er an Privatpersonen verkauft hat, zurück nimmt, wenn es ihm gefällt, ohne oft den Preis wieder zurück zu zahlen. Es ist nichts destoweniger ein Landesgesetz vorhanden, dass die Ländereien in den Familien erblich sind, und dass man sie von einem an den anderen verkaufen kann. Allein der König hat keine Achtung gegen dieses Gesetz, als wenn es ihm vorteilhaft ist, weil daselbige keinen Domainenrechte keinen Nachteil bringen kann, welches sich überhaupt über das ganze Eigentum aller seiner Untertanen erstreckt. Daher kommt es, dass sie sich wenigstens so viele Gerätschaften, als möglich, anschaffen, und dass sie wenigstens ihre Meublen den Augen ihres Königs zu entziehen suchen. Da aber die Diamanten diejenigen Gerätschaften sind, welche man am leichtesten verbergen und transportieren kann, so sind sie daher in Siam und in ganz Indien sehr gesucht, und sie werden daselbst teuer verkauft.
Die Ehen sind in Siam fast alle glücklich, wie man aus der Treue der Frauen schliessen kann, mit der sie ihre Männer ernähren, so lange sie in den Diensten des Königs sind, - Dienste, welche durch eine Art von Pressung nicht nur jährlich sechs Monate dauern, sondern auch oft wohl ein Jahr, und zwei bis drei Jahre hintereinander. Wenn aber ein Mann und eine Frau einander nicht mehr leiden können, so bedienen sie sich der Ehescheidung, als eines Hilfsmittels. Es ist wahr, dass sie nicht leicht unter dieser Nation gebräuchlich ist; die Reichen, welche mehrere Frauen haben, behalten diejenigen, welche sie nicht lieben, ebenso gut, als diejenigen, welche sie lieben.
Der Mann ist bei der Ehescheidung der Gebieter; er schlägt der Frau aber dieselbige nicht leicht ab, wenn sie es durchaus verlangt. Er gibt ihr dann das Heiratsgut zurück, und die Kinder teilen sie miteinander auf folgende Art. Die Mutter bekommt das erste, das dritte und alle, die in ungleichen Zahlen sind; der Vater aber hat das zweite, vierte und alle anderen in gleichen Zahlen. Daher kommt es, dass wenn nur ein einziges Kind vorhanden ist, dasselbige der Mutter gehört, und wenn die Anzahl der Kinder ungleich ist, so bekommt die Mutter eins mehr.
Nach der Ehescheidung ist es dem Manne und der Frau erlaubt, sich wieder zu verheiraten an wem sie wollen, und es steht der Frau frei, dieses in den ersten Tagen nach der Ehescheidung zu tun, ohne dass sie sich von einem Zweifel darüber beunruhigen lassen, wer denn eigentlich der Vater desjenigen Kindes sein möchte, das nach der zweiten Verheiratung geboren wird. Ob ihnen aber gleich die Ehescheidung erlaubt ist, so sehen sie dieselbige doch nicht, als ein grosses Unglück an, und kümmern sich auch nicht über den fast gewissen Verlust ihrer Kinder, welche gewöhnlich bei den zweiten Ehen ihrer Eltern sehr übel behandelt werden.
Die Gewalt des Ehemanns ist despotisch in seiner Familie, sie erstreckt sich bis dahin, dass er Frauen und Kinder verkaufen kann, ausgenommen seine Hauptfrau, welche er bloss verstossen kann. Die Witwen erben die Rechte des verstorbenen Mannes mit dieser Einschränkung, dass sie die Kinder in der gleichen Zahl nicht verkaufen können, wenn sich die Anverwandten des Vaters dagegen setzen. Nach der Ehescheidung kann der Vater und die Mutter jedes die Kinder, welche auf seinen Teil kommen, verkaufen.
Liebe gegen freie Personen ist keine Schande, wenigstens nicht unter dem gemeinen Volk; sie wird wie eine Ehe betrachtet, und Unbeständigkeit wie eine Ehescheidung. Die Eltern geben jedoch auf ihre Töchter genau acht. Übrigens sind die Siamesen von Natur zu stolz, um sich leicht an Ausländer zu überlassen. Die Peguanerinnen zu Siam, da sie daselbst Fremde sind, halten auf die Ausländer mehr, und werden in den Augen derjenigen, welche nicht wissen, dass sie einen Mann suchen, für liederliche Weibspersonen angesehen. Sie sind auch getreu, bis man sie verlässt, und wenn sie schwanger werden, so sind sie unter ihren Landsleuten nicht weniger geschätzt, und sie selbst machen sich eine Ehre daraus, einen weissen Mann zu haben. Es ist auch möglich, dass sie von Natur verliebter, als die Siamesinnen sind, wenigstens sind sie von einer grösseren Lebhaftigkeit.


Fortsetzung




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